Die Akcja Wisla – Zwangsumsiedlung der Ukrainer 1947

Marsch zum Andenken an die Akcja Wisła, Foto: Birczanin, public domain

Die Erfahrung aus zwei Weltkriegen, von Grenzauseinandersetzungen, Rassismus und ethnischen Konflikten führte zu der Vorstellung, ethnisch homogene Staaten würden solche Auseinandersetzungen ausschalten helfen.

Diese Idee kam auch zur Anwendung, als in Folge des 2. Weltkriegs die Grenzen Polens neu bestimmt wurden. Auch Polen sollte nun im Gegensatz zum Vorkriegspolen ethnisch homogen werden. Vor dem Krieg nämlich waren in Polen fast ein Drittel der Bürger ethnisch keine Polen.

Für das Nachkriegspolen legte man so die Grenzlinie von 1919 zu Grunde und bestimmte im Wesentlichen die Curzon-Linie zur sowjetisch-polnischen Grenze. Sie entsprach dem Prinzip des zu Zeiten der Verhandlungen von 1919 regierenden amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Er hatte schon in seinem 14-Punkte-Plan diejenigen Gebiete bei Polen sehen wollen, die zweifelsfrei mehrheitlich von Polen bewohnt wurden.

Das kam zum Ende des 2. Weltkriegs nicht nur der Vorstellung der neuen kommunistischen Regierung Polens nahe, auch Stalin und Churchill sahen das ähnlich. Nachdem die Rote Armee bei Lublin die einstige Curzon-Linie überschritten hatte konstituierte sich am 22. Juli 1944 in der neuen polnischen Hauptstadt Lublin das kommunistisch geführte „Polnische Komitee der nationalen Befreiung“ (Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego) als provisorische polnische Regierung mit der Hauptstadt Lublin. Es war aus dem zuvor in Moskau gegründeten Nationalen Rat (Krajowa Rada Narodowa) hervorgegangen um in Polen formell die Macht zu übernehmen

Diese von der Sowjetunion gestützte und kontrollierte provisorische Regierung unter dem Kommunisten Bolesław Bierut schloss noch vor der deutschen Kapitulation mit den betreffenden sowjetischen Teilrepubliken Weißrussland und Ukraine Repatriierungsabkommen auf Gegenseitigkeit ab. Die Aktionen der Umsiedlung polnischer Bürger Weißrusslands und der Ukraine nach Polen und von Weißrussen und Ukrainern in die Sowjetunion sollten ganz auf „freiwilliger Basis“ ablaufen. Die Abkommen wurden mehrfach verlängert und dieser Bevölkerungsaustausch verlief keineswegs aus freien Stücken.

Trotzdem verblieben nach dem endgültigen Ablauf der Abkommen im Südosten Polens im Grenzbereich zur Ukraine noch Zehntausende ethnische Ukrainer auf polnischem Gebiet. Zudem fand in der Region zu jener Zeit ein Bürgerkrieg statt, in dem die nationalistische ukrainische Aufstandsarmee UPA seit 1943 um einen souveränen ukrainischen Nationalstaat kämpfte, mit wechselnden Bündnispartnern. Da diese Gruppierung auch für das Massaker an polnischen Zivilisten in Wolhynien verantwortlich war, wurde sie sowohl von der Sowjetunion als auch von Polen bekämpft.

Weil es Polen nicht gelang, die ethnischen Ukrainer aus dem Vorkarpatenland in die Sowjetunion abzuschieben, plante die Regierung Polens eine andere Lösung: die Zwangsumsiedlung der Ukrainer in die sogenannten „Wiedergewonnenen Gebiete“, also die ehemaligen deutsche Ostgebiete, darunter auch Ermland und Masuren. Nachdem die Potsdamer Konferenz den Bevölkerungsaustausch und die Vertreibung der noch dort befindlichen Deutschen abgesegnet hatte, war vor allem in den abgeschiedenen Regionen Ermland und Masuren viel Platz. Zerstreut und möglichst nur in einzelnen Familien sollten die Ukrainer dort angesiedelt werden.

Das Konzept der Umsiedlung stellte General Stefan Mossor der polnischen Landessicherheitskommission am 27. 3 1947 vor. Am nächsten Tag wurde der polnische General Karol Świerczewski angeblich von der ukrainischen UOA ermordet, was bis heute nicht geklärt ist. Doch wurde durch diesen Mord der Umsiedlungsaktion nun durch die regimekontrollierten Medien ein legitimierender Vorwand untergeschoben, und schnell wurde daraus eine wahre antiukrainische Propagandaschlacht. Das Politbüro der Polnischen Arbeiterpartei PPR (PPR bis zum 21. Dezember 1948 der Zusammenschluss mit der Polnischen Sozialistische Partei PPS zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR erfolgte) segnete die Umsiedlungsaktion der Ukrainer am 11.4.1947 ab mit General Stefan Mossor als Leiter. Die Durchführungsrichtlinien wurden drei Tage später verkündet.

Die Zwangsumsiedlung sollte die Ukrainer in den „wiedergewonnenen Gebieten“ im nördlichen Polen mit einem Mindestabstand zur nächsten Grenze von 50 Kilometern und einem Anstand zur Ostsee von mindestens 30 Kilometern angesiedelt werden. Dabei sollten sie dort in keiner Ortschaft mehr als zehn Prozent der Bevölkerung stellen. Betroffen von der Aktion waren auch die kleineren Volksstämme der Lemken und Bojken. Das sollte eine rasche Assimilierung sicherstellen. Als angenommene Zahl der zu Deportierenden ging man von 74.000 Ukrainern aus. Doch hatte man die vielen Ukrainer – schätzungsweise 100.000 – nicht mitgezählt, die sich in den Wäldern und Bergen versteckt hatten, oder in der Tschechoslowakei untergetaucht waren, um den zuvor laufenden Aktionen zur „Repatriierung in die Sowjetunion“ zu entgehen, bei denen fast eine halbe Million Ukrainer in die ukrainische Sowjetrepublik verbracht wurden. .

Am 16.4.1947 wurde die Zwangsumsiedlungsmaßnahme vom Politbüro der PPR beschlossen und nun Akcja Wisła, Aktion Weichsel genannt. Gleichzeitig wurden Noten an die Regierungen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion versandt mit der Bitte, die Grenzen zu Polen abzuriegeln.

Die Durchführung der Akcja Wisła begann am 28.4.1947 um 4 Uhr morgens unter Beteiligung von 17.000 Soldaten und 6.000Milizianten. Man ging ortsweise nach immer dem gleichen Schema vor. Der Ort wurde von der Armee umstellt und die betroffenen Einwohner hatten nur wenig Zeit, das Nötigste zu packen und wurden dann in streng bewachten Zügen deportiert. Es traf sogar Kommunisten und Sozialisten, denn einziges Kriterium für die Deportation war es, ukrainischer Abstammung zu sein. Ethnische Ukrainer, die verdächtigt wurden, Mitglieder der polnischen Heimatarmee AK gewesen zu sein, oder bei der UPA gewesen zu sein wurden genauso festgenommen, wie Deutschstämmige. Sie wurden nach Jaworzno deportiert, einem ehemaligen Außenlager des deutschen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Es soll sich nach neueren Forschungen um etwa 4.000 Personen gehandelt haben, die im Zuge der Akcja Wisła in Jaworzno inhaftiert waren, darunter viele Frauen und Kinder, griechisch-katholische und orthodoxe Priester sowie Mitglieder der ukrainischen Intelligenz. Während der dreimonatigen Aktion kam es auch immer wieder zu Scharmützeln mit der UPA, die auch versuchte, Transporte zu verhindern.

Denkmal für die Opfer des kommunistischen Terrors in Jaworzno, Foto: Beemwej, GNU

Von den Verteilungspunkten – in Ermland und Masuren war das Allenstein –  wurden die Züge an die Entladestationen verteilt. Dort wurde entladen, oft war nichts vorbeireitet und die Gemeinden wussten nichts mit den Umsiedlern anzufangen, weil die jeweiligen staatlichen Repatriierungsämter nicht benachrichtig worden waren.  Auch im Kreis Lidzbark Warmiński gebrach es an Informationen. So hatte man dort nicht in allen Gemeinden Verbindungsleute bestimmen lassen, die sich um die Ukrainer kümmerten und sie zu ihren Höfen und Unterkünften hätten bringen sollen. So irrten Dutzende und Aberdutzende ukrainische Familien durch die ihnen völlig unbekannte Gegend. Sie waren geschwächt nach der langen Reise unter unmenschlichen Bedingungen in restlose überladenen Waggons ohne Sanitäranlägen. Allein die Reise überlebten rund 30 Ukrainer nicht.

Die Aktion endete am 28.7.1947. Auch in den folgenden Jahren kam es noch zu Zwangsumsiedlungen von Ukrainern. Insgesamt waren rund 150.000Ukrainer zwangsumgesiedelt worden. Die meisten Ukrainer wurden in die damalige Wojewodschaft Allenstein (55.089) deportiert, danach folgten die Wojewodschaft Stettin (48.465), Breslau (21.237), Posen (8.042), Danzig (6.838) und Białystok (991).

Von den Verteilungspunkten in Ermland und Masuren war das Allenstein –  wurden die Züge an die Entladestationen verteilt. Dort wurde entladen, oft war nichts vorbeireitet und die Gemeinden wussten nichts mit den Umsiedlern anzufangen, weil die jeweiligen staatlichen Repatriierungsämter nicht benachrichtig worden waren.  Auch im Kreis Lidzbark Warmiński gebrach es an Informetion. So hatte man dort nicht in allen Gemeinden Verbindungsleute bestimmen lassen, die sich um die Ukrainer kümmerten und sie zu ihren Höfen und Unterkünften hätten bringen sollen. So irrten Dutzende ukrainische Familien durch die ihnen völlig unbekannte Gegend. Sie waren geschwächt nach der langen Reise unter unmenschlichen Bedingungen in restlose überladenen Waggons ohne Sanitäranlägen. Allein die Reise überlebten rund 30 Ukrainer nicht.

Bis zu diesem Tag hatte man insgesamt 33.154 Familien angesiedelt, also 140.662 Personen. Die meisten Ukrainer wurden in die damalige Wojewodschaft Allenstein (55.089) deportiert, danach folgten die Wojewodschaft Stettin (48.465), Breslau (21.237), Posen (8.042), Danzig (6.838) und Białystok (991).

Auch in den folgenden Jahren kam es noch zu Zwangsumsiedlungen von Ukrainern. Insgesamz sind im Rahmen der Aktion „Weichsel“ etwa 150.000 Personen in die West- und Nordgebiete Polens deportiert wurden. Bevorzugt auf dem Land wurden die Ukrainer angesiedelt, nur etwa zehn Prozent kamen in Städte. Von den anderen 90% wurden davon geschätzt über 80 Prozent auf Bauernhöfe, etwa 10 Prozent als Landarbeiter auf Staatsgüter.

Bald merkte man, dass die vom Ministerium für Öffentliche Sicherheit zur Verteilung der Ukrainer getroffenen Anordnungen nicht umgesetzt worden waren. Die Behörden der Verteilungspunkte hatten sich an der Aufnahmefähigkeit der einzelnen Gemeinden orientiert. Dazu hatte man den jeweiligen Dorfschulzen eine entsprechende Anzahl von ukrainischen Familien zugewiesen. Die Dorfschulzen hatten dann freie Hand bei der Verlegung von einem Dorf zum anderen. So wurde der vorgeschrieben höchsten zehnprozentige Anteil der Ukrainer an der Bevölkerung deutlich überschritten

In der Wojewodschaft Allenstein betrug der Anteil der Ukrainer an der Gesamtbevölkerung 11,6 Prozent. In den damaligen den Kreisen betrug sie in Iława (Deutsch-Eylau) 41,2 Prozent, in Braniewo (Braunsberg) 35,2 Prozent, in Węgorzewo (Angerburg) 35,1 Prozent, in Pasłęk (Preussisch Holland) 25,7 Prozent, in Bartoszyce (Bartenstein) 20,6 Prozent, in Kętrzyn (Rastenburg) 18,2, in Giżycko (Lötzen) 12,4 Prozent, in Morąg (Mohrungen) (12,1 Prozent) und in Lidzbark (Heilsberg) 11,2 Prozent. In manchen Gemeinden Ermlands und Masurens war der Prozentsatz von Ukrainern besonders hoch. So betrug er im Kreis Węgorzewo in den Gemeinden Banie Mazurskie 71 Prozent, Kuty 64 Prozent, Budry (Buddern) 50 Prozent und Węgorzewo (Rastenburg) 45 Prozent. Von 92 Dörfern in diesem Landkreis überschritten 57 einen Anteil von 40 Prozent Ukrainern.

So sah sich das zuständige Ministerium für Öffentliche Sicherheit einzuschreiten. Das Ministerium für die Wiedergewonnenen Gebiete musste am 31. Juli 1947 allen Wojewodschaftsämtern gegenüber die Anpassung der Verteilung an die Forderungen des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit anordnen. Befolgt aber hat man die Anordnung nur  in den wenigsten Kreisen, denn längst gab es einen Mangel an freien Bauernhöfen. Am 10. November 1947 wurden die Verteilungsrichtlinien verändert. Man verkleinerte die Verbotszonen auf Streifen von 30 km zur Staatsgrenze, und auf 10 km zur Ostseeküste. Auch wurde der Bevölkerungsanteil der Ukrainer, pto Dorf auf 40 Prozent aller Einwohner angehoben. Nur beim Gesamtprozentsatz innerhalb eines Kreises sollte der Prozentsatz von 10 Prozent Ukrainern nicht überschritten werden. In der Wojewodschaft Allenstein wurden aufgrund der großen Anzahl ukrainischer Familien Umsiedlungen nur dann durchgeführt, wenn die Anzahl der Ukrainer in der einer Gemeinde 40 Prozent überschritt, oder weniger als 15 km von Allenstein entfernt angesiedelt worden waren. Diese erneute Bevölkerungsverschiebung der ukrainischen Bevölkerung fand im Jahr 1948 statt,  jedoch war eine komplette Umsetzung der Planung nicht möglich, denn längst herrschte ein Mangel an freien Bauernhöfen.

Zwar sollte als Hauptziel eine schnelle Assimilierung der Ukrainer im polnischen Milieu sein. Doch noch viele Jahre lebten die Ukrainer in Ermland und Masuren unter strenger Kontrolle. Das Amt für Sicherheit, die Miliz und den Freiwilligen Milizeinheiten (ORMO) kontrollierte ständig.  Beide Gruppen, sowohl Polen als auch Ukrainer blieben sich lange fremd, pflegten eigene Vorurteile und Abneigungen. Gesellschaftlich blieben die Ukrainer so lange isoliert und fanden innere Integration in einer Art Wagenburgmentalität, in der sie eigene Traditionen, den eignen Glauben und viele Bräuche pflegten.

Die Rückkehr wurde den Ukrainern unmöglich gemacht. Per Dekret wurden sie kollektiv am 27.9.1947 von allem Besitz und Grundeigentum enteignet. In einem weiteren Dekret vom 28.8.1949 wurde auch die griechisch-katholische Kirche, der die meisten Ukrainer angehören, enteignet. Erst danach begannen sie, sich gezwungenermaßen mit der Situation zu arrangieren.