Die Prussen: Ureinwohner, Götter und heilige Haine

Olsztyn Schlosshof, prussische Babe, Foto: Brigitte Jäger-DabekSie waren die Ureinwohner des Gebietes zwischen Weichsel und Memel, des alten Ostpreußen also, die westbaltischen Volksstämme der Prussen, oder Pruzzen, wie man früher sagte, während sie selbst sich Prūsai nannten. Sie bildeten weder einen festen Staatsverband, sondern siedelten als Stämme in relativ fest umgrenzten Siedlungsgebieten.

Die Prussen-Stämme

Die Schalauen (Scaloviti)  siedelten beiderseits der Memel und bildeten die Grenze zwischen westbaltischen Prussen und ostbaltischen Litauern.

Die Nadrauen (Nadroviti) siedelten ganz im Nordosten zwischen Deime im Westen, Gilge im Norden und Aschwöne im Süden, im Osten etwa bis zum Wystiter See.

Die Samen (Sami) wohnten – wie der Name es schon vermuten lässt – auf der Halbinsel Samland und nach Osten bis zur Deime.

Die Natanger (Natangi) folgten westlich und siedelten zwischen Memel und Brandenburg bis hinunter zur Alle.

Die Warmier (Varmienses) siedelten im Gebiet das südöstlich bis etwa zur Alle reichten zwischen Passarge und Brandenburg am Frischen Haff. Dieser Stamm gab dem Ermland seinen Namen.

Die Pogesanen (Pogesani) siedelten westlich der Warmier in einem Streifen zwischen Passarge und Elbing-Fluss bis hinunter nach Löbau.

Die Pomesanen (Pomesani) siedelten westlich der Pogesanen zwischen Elbing-Fluss, Ossa, Weichsel und Nogat.

Die Sassen (Sassini) siedelten südlich der Warmier zwischen Alle und Passarge und an der Grenze zum Kulmerland. Sie mischten sich früh mit slawischen Neusiedlern.

Die Barter (Barthi) lebten der Warmier und Natanger südlich und östlich von Alle im Osten bis zur Aschwöne.

Die Galinder (Galindae) siedelten rund um die großen Masurischen Seen im Osten bis zur Alle, im Süden bis zum Spirding-See und im Osten bis zum Mauersee.

Die Sudauer (Sudavi) – auch Jadwinger genannt –  siedelten zwischen Galindern und Memel, wobei man nicht sicher sagen kann, inwieweit sie sich von diesen unterschieden.

Prussische Stämme im 13. Jahrhundert, Foto: Wikimedia Commons, Renata3, GFDL, CC-BY-SA-3.0

Die prussischen Götter

Manche dunklen Wälder scheinen noch heute von den alten Prussengöttern zu erzählen. In ihnen scheint er noch überlebt zu haben, der alte heidnische Glaube. Drei Hauptgötter hatten die   Prussen: Perkunos, Pikollos und Potrimpos. Perkunos, der Donnergott, wurde hoch verehrt und kommunizierte donnernd mit dem Priester. Zwar holte er die Glücklichsten per Blitzstrahl direkt zu sich, aber er war auch der Gott des Sonnenscheins, des Feuers, des Regens und des Windes, der auch Krankheiten heilte. Potrimpos, der Gott der Fruchtbarkeit, war die Lebenslust schlechthin, wurde um Glück, Wohlleben und Aufgehen der Saat angefleht. Dargestellt wurde er als Jüngling mit einem Ährenkranz. Pikollos hingegen stand für Tod und Verderben, er sorgte auch für die Bestrafung derjenigen, die dem Krive zuwiderhandelten.

Neben dieser ersten Götterriege gab es noch unzählige kleine Nebengötter, für jedes Anliegen einen. Der wichtigste von ihnen war wohl Kurche, der ebenfalls allgemein verehrte Darreicher der Speisen und Getränke, dem unzählige Opfersteine geweiht waren. Die   Prussen sahen in den Naturgewalten das Wirken der Götter, die sie in heiligen Hainen verehrten. Allen diesen Hainen war die immergrüne Eiche als Zentrum gemeinsam, sie war der Hauptsitz der Götter. Wahrscheinlich hatte jeder Stamm mindestens einen solchen Hain, aber es gab auch ein oberstes Heiligtum, den heiligen Hain von Romowe, den alle Stämme verehrten.

In diesem Romowe amtierte auch der oberste Priester, der Krive, der gleichzeitig Hüter des ewigen Feuers war. Er wurde von den Priestern aller Stämme auf Lebenszeit gewählt und hatte besonders weise zu sein, was meist mit sich brachte, dass er bereits recht betagt war.

Dieser oberste Krive war gleichzeitig oberster Richter und somit höchste Instanz unter den baltischen Stämmen, denn es gab keine ihm entsprechende weltliche Machtstellung. Die einzelnen Stämme hatten alle ihre eigenen gewählten Führergestalten, die Reiks, eine Zentralgewalt gab es nicht, sie lebten nur in losen Stammesverbänden. Auch die Reiks traten eigentlich nur im Kriegsfalle hervor, dann hatten sie uneingeschränkte Macht, aber eben nur über ihren eigenen Stamm, was einheitliches Vorgehen erschwerte, welches gegen ein gut organisiertes Heer wie das der Deutschordensritter nötig gewesen wäre.

In Friedenszeiten bestimmten der Oberpriester Krive, die Stammespriester Krivaiten und die Waidelotten, die Dorfpriester, alle Belange des öffentlichen Lebens. So bestimmten de facto die Priester das Leben der   Prussen. Sie sorgten für die Überlieferung der Chronik, unterrichteten auf den Krawul genannten Dorfzusammenkünften und wachten über Recht und Ordnung, Sitte, Moral, die Einhaltung der Glaubensgrundsätze sowie die Regeln des Zusammenlebens, die sehr pragmatisch waren.

So war diese Religion eigentlich recht lebensnah, die Kulthandlungen waren einfach. Und sie war lebensfroh, denn das Wichtigste waren nicht die Opferrituale an der heiligen Eiche, sondern die dazu gehörenden Feste, die allesamt fröhliche, mehrtägige Gelage waren. Friedlich, lebensfroh, trinkfest und lustbetont waren die alten Prussen also, was hatte ihnen das Christentum da vordergründig schon zu bieten, nichts als Gebote, Verbote und Verzichte. Wie erschien ihnen da der alte Glaube doch menschenfreundlich!

Die  Prussen starben aus, wurden vernichtet, andere vermischten sich mit Einwanderern. Manches blieb über die Jahrhunderte erhalten, auch wenn sie keine Schrift kannten, einiges in Sagen, weniges in einzelnen Worten. So manche Götter überlebten durch Großmutter-Mund als gute und böse Geister in den Wäldern und Seen, manche Sitten, Alltagsregeln und Gebräuche überdauerten. Und ein Satz blieb in meiner Familie, das entsetzte Aufschrecken „Thiewas abgele nus!“ – Herr bewahre uns!

Das masurische Eden

Schon die Anfahrt über gestampfte, ungeteerte Wege ist anders. In Iznota, einem kleinen Dorf an der Krutinna (Krutynia), scheint die Zivilisation zu enden, aber es sind noch ein paar Kilometer, bis der dichte Wald sich öffnet. Martialische hölzerne Krieger halten die Wacht vor dem Tor der palisadenumwehrten Galinderfestung. Man wähnt sich um Jahrhunderte in die Prussenzeit zurück versetzt, als hier die Galinder lebten.

Cezary Kubacki, von Haus aus Arzt und Psychotherapeut, schuf sich hier seinen Garten Eden, der mittlerweile zum veritablen Hotel und Erholungszentrum ausgebaut ist, auch Camper finden hier ihren Platz (Hotel Galindia – Mazurski Eden). Nebenher ist Cezary Kubacki Bildhauer, die vielen Holzplastiken, die alle mit der Welt der Galinder zu tun haben, schuf der Hausherr selbst. Nach und nach entstand ganz nebenbei eine Art Freilichtmuseum galindischer Lebensart. Nur die Touristen sind hier nach der heutigen Mode gekleidet, die Galinder stehen über solchen Dingen und tragen sämtlich ihre alten Gewänder. Dieser masurische Garten Eden ist obendrein noch paradiesisch gelegen, direkt am Beldany-See, den nicht nur die Galinder sondern auch viele Masuren für den schönsten ihrer Seen halten.

Von Wanderungen über Paddelfahrten, Segeltörns uns Radtouren ist hier vieles möglich, auch Kutschfahrten oder ein Bootsausflug mit „echten“ Galindern, und im Winter natürlich Eissegeln und Hundeschlittenfahrten.

Lesen Sie auch: Das Galinderdorf. Eine Geschichte über das Leben der prussischen Galinder.