Ermland-Masuren geheimnisvoll: Die unbekannten Wälder von Łańsk

 

Lansker See, Blick von Süden
Lansker See, Blick von Süden, Foto: Krzysztof Dudzik, CC BY 3.0

Nur wenige Kilometer südlich von Olsztyn (Allenstein) liegt bei Stawiguda (Stabigotten) eines der unbekanntesten und schönsten Eckchen der Woiwodschaft Ermland Masuren. Jahrzehnte lang waren die Wälder zwischen dem Lansker See (jez. Łańskie) und dem Gr. Plautziger See (jez. Pluszne) tabu. Geheimnisvolles ging in den Forsten zwischen Rybaki (Lansk) und Nußtal (Orzechowo), Lanskerofen (Łańskie Piec) und der Halbinsel Lallka (półwyspa Lallka) für gewöhnlich Sterbliche komplett unzugänglich. Von der polnischen Verwaltung waren Tausende von Hektar eingezäunt worden. Das Sperrgebiet diente der Nomenklatura der Volksrepublik Polen als Erholungsbiet und Jagdreservat, auch Staatsgäste wurden hierher eingeladen. Die Lansker Wälder hatten zudem den Vorzug, dass der in Alt Keykuth (Stare Kiejkuty) bei Ortelsburg (Szczytno) ebenfalls komplett abgeriegelt angesiedelte polnische Geheimdienst nicht allzu weit entfernt war. Hier konnte man sich vom Volk ungestört erholen, auf die Jagd gehen und in angenehmer Weise konferieren. Es wurde nicht lange gefackelt, die Einwohner von Nußtal und Klein Plautzig (Klekotowo) mussten das Gebiet verlassen, die Dörfer wurden weitgehend abgerissen, von Nußtal blieb nur die Kirche.

Es gab kaum Zufahrtsstraßen zu den Forsten vor allem des Forstamts Lanskerofen und obwohl Stabigotten nur wenige Kilometer entfernt war und sowohl eine Bahnlinie als auch die Durchgangsstraße nach Hohenstein (Olsztynek) liegen fast auf Sichtweite. Doch wurde Jahrzehnte lang nur gemunkelt, was hinter den Zäunen vor sich ging.

Jäger aus aller Herren Länder

Nein, nicht die Warschauer Nomenklatura hat dieses Fleckchen Erde mit seinen schönen Seen und Wäldern entdeckt. Überall wo es Wälder von solchem Wildreichtum gab war Herrmann Göring in seiner Eigenschaft als Reichsjägermeiste ein früher Prominenter, der zur Jagd an den Lansker See kam. Das war leicht möglich, denn nicht weit entfernt lag in Grieslienen (Gryźliny) ein Luftwaffen-Flugplatz. Von dort brachte ihn ein Wagen in seinen Jagdhof der dort stand, wo die Alle (Łyna) den Lansker See verlässt. Der erste wirklich prominente Jäger in Lansk dürfte jedoch Kaiser Wilhelm II. gewesen sein, der sich gern in Ostpreußen mit Staatsgästen und der Recihsführung zur Jagd traf.

In den 1950-er Jahren entdeckte die Führung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei und die Regierung die Gegend als bildschönes und ob der Abgelegenheit gut zu schützendes Erholungs- und Jagdzentrum, das auch zur Beherbergung von Staatsgästen taugte. Die Einrichtungen, von denen einige noch heute stehen, wurden gern und häufig frequentiert. Illustre Gäste gab es reichlich am Lansker See. Die komplette politische Elite des Landes von Bierut über Cyrankiewicz, Gomulka oder Jaroszewicz gab sich hier ein Stelldichein und wurde in jeder Hinsicht verwöhnt, auch von attraktiven „Führerinnen“.

Doch auch internationale Staatsgäste erholten sich gern im südlichen Ermland bei der Jagd. Viele politischen Führer der Sowjetunion kamen gern, darunter Breschnew und Chruschtschow, der ein gutes Auge für die Jagd hatte und der beste Jäger der Sowjet-Elite war. Genauso gern kam Kubas Fidel Castro, Chinas Tschu En Lai , Selbst gekrönte Häupter ließen sich gern an den Lansker See einladen. Der Belgische König Baudouin und der iranische Schah Reza Pahlewi waren mehrmals in der Villa Leszcz (Brasse) untergebracht. Dort erholte sich auch Partei- und Regierungschef Edward Gierek gern.

Łańsk in neuen Zeiten

Von dem großen eingezäunten Gebiet sind heute nur ein paar Hektar geblieben und ein nicht viel mehr als fünf Kilometer langer Zaun. Das Herz des heutigen Urlaubsortes Lansk ist das Haus „Puszcza“, das auf den Fundamenten einer alten Försterei erbaut wurde, deren Ursprünge im 19. Jahrhundert lagen. Es war im Fachwerkstil erbaut und mit roten Dachziegeln bedeckt worden, so war es schon vor dem Krieg. Später wurde von Leiter des Lansker Terrains Oberst Kazimierz Doskoczyński für die Förster ein Flügel angebaut und ließ das Haus mit einem Reetdach abdeckte, das aber wenig später einem Feuer zum Opferfiel. und von einem Schieferdach ersetzt wurde. Inzwischen hat das Gebäude sein schönes Reetdach wieder. Um das Haus Puszcza (Wald) wurden im gleichen Stil kleinere Häuser, die ihrem Stil gemäß „Bärenhöhle“ (gawra) genannt wurden. Besonders Gomułka liebte die Bärenhöhlen. Daneben gab es zwei weitere Häuser im modernen Stil, die Zwillingshäuser “Brasse“ und „Barsch“ (Leszcz und Okoń), die Edward Gierek bevorzugte. In der Nähe gab es noch eine Handvoll finnischer Häuser, die der finnische Premier bei einem Besuch dem Kaiser für das Lansker Jagdgebiet geschenkt hatte.
Die Armee schütze und bewachte das Erholungszentrum bis zum Jahr 2000 ohne Unterbrechung, danach war nur noch zeitweilig eine Kompanie dort stationiert. Für sie gab es eine Kaserne, die heute leer steht, da Ihr Dach aus Eternit besteht. Das überdachte Schwimmbad der ehemaligen Gomulka-Unterkunft allerdings ist nach wie vor geöffnet und für die Allgemeinheit zugänglich. Nur zwei Gebäude des Komplexes sind neueren Datums, die Kläranlage und die Kapelle, die eine Johanniter-Station beherbergt.

Das Geheimnis um das „Lansker Imperium“ wurde in den vergangenen 20 Jahren langsam gelüftet. Nach 1989 waren nur noch wenige Prominente im Lansker Erholungszentrum. Die ehemalige Premierministerin Hanna Suchocka liebte es, dort zuweilen ein verlängertes Wochenende zu verbringen. Waldemar Pawlak hielt in Lansk einige Konferenzen ab. Auch Jacek Kuron wurde bei einem Aufenthalt bei Radtouren gesehen. Noch Ende der 1990-er Jahre konnte man den Ex-Premier Leszek Miller in Lansk antreffen. Das Erholungszentrum existiert also in seinen wesentlichen Bauten bis heute. Der größte Teil der Forsten gehört heute zum Reservat „Las Warmiński”, Ermländischer Wald. Die Natur profitierte davon, über ein halbes Jahrhundert unzugänglich gewesen zu sein. Sie blieb ursprünglich.

 Hotelkomplex Lansk, Foto: screenshot, © www.lansk.pl

Hotelkomplex Lansk, Foto: screenshot, © www.lansk.pl

Heute fungiert das Haus „Puszsza“ als Hotel Kompleks Recepcyjno-Wypoczynkowy Łańsk. Dort kann man Zimmer mieten, Apartments und auch die legendären „Finnen-Häuser“. Um den überdachten Swimmingpool sind eine Fittness-Studio und eine Sauna angesiedelt. Auch Konferenzen und Firmenseminare finden dort statt.

Das Filetstück des Regierungs-Erholungszentrum am Lansker See ist die Halbinsel Lallka (półwyspa Lalka), die vom Landkreis Allenstein (Olsztyn) im Jahr 2014 für 6,4 Millionen Złoty privatisiert wurde. Auf der Halbinsel befindet sich die ehemalige Jugendherberge, die in der Vorkriegszeit nach Plänen des Architekten Paul Zeroch erbaut wurde und als schönste Jugendherberge Ostpreußens galt. Weiter befindet sich auf der 15,8 ha großen Halbinsel die Ferienanlage “Kormoran”mit zwei kleinen Häusern, Nebengebäuden und Stallungen.

Dieser Film des Fernsehsenders TVP berichtet in polnischer Sprache über das „Lansker Imperium“. Die Bilder geben einen Eindruck der abgesperrten Region: