Mindestlohn im Vergleich – Polen vs. Deutschland

Laut Statistischem Bundesamt lag der durchschnittliche Bruttoverdienst in Deutschland bei 3.449 Euro pro Monat. Was auf den ersten Blick sehr gut aussieht, täuscht natürlich nicht darüber hinweg, dass es nach wie vor sehr viele Arbeitnehmer gibt, die mit ihrem Gehalt alleine nicht auskommen. Oft wird durch Hartz IV aufgestockt, um den eigenen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Seit 01. Januar 2015 gilt in Deutschland jedoch ein Mindestlohn, den es in Polen bereits seit dem Jahr 1990 gibt. Doch was unterscheidet die beiden Regelungen genau? In diesem Ratgeber wollen wir einen Vergleich wagen.

Umfrage: Führt der Mindestlohn zu Arbeitsplatzverlusten?

Bild: Laut der ARD glauben 68 Prozent der Bevölkerung nicht an einem Wegfall von Arbeitsplätzen, wenn der Mindestlohn eingeführt wird. Grafik: Ermland-Masuren-Journal

Der Mindestlohn in Polen – Lebensgrundlage für viele Beschäftigte

Der Mindestlohn in Polen ist ein verhältnismäßig altes sozialpolitisches Instrument, welches nach dem Zusammenbruch des Ostblocks die Umwälzungen in der polnischen Wirtschaft für die Menschen abfedern sollte. Besonders wichtig war und ist das in einer strukturschwachen Region wie Ermland-Masuren, wo es nach der Privatisierung der großen Staatsgüter im ländlichen Raum kaum noch Arbeitskräfte für Geringqualifizierte gibt. Das Gesetz über Mindestlöhne gibt dabei vor, dass eine Anpassung des Mindestlohns jedes Kalenderjahr erfolgt und die Höhe spätestens am 15.09 des Vorjahres bekanntgegeben wird. Im Normalfall verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaften über Veränderungen des Mindestlohns, jedoch legt die Regierung den neuen Mindestlohn fest, wenn es zu keiner Einigung kommt. Dies ist beispielsweise im Jahr 2014 passiert, so dass die polnische Regierung im Juli 2014 verkündete, dass der Mindestverdienst ab 2015 auf 1.750 zl (ca. 425 Euro) steigen wird. Da somit auch die Zahlungen des Arbeitgebers zur polnischen Sozialversicherung, zum Arbeitsfonds und zum Fonds für garantierte Zuwendungen steigen, betragen die Kosten für einen Vollzeitarbeiter im Jahr 2015 laut gtai.de mindestens 2.112,96 zl.

Der polnische Mindestlohn für den eiligen Leser:

  • Wurde bereits 1990 eingeführt
  • Jedes Jahr findet eine Anpassung statt
  • Aktueller Stand: 1.750 zl (ca. 425 Euro pro Monat)

Der Mindestlohn in Deutschland – Neuland für alle Beteiligten

In Deutschland wurde der Mindestlohn tatsächlich erst zum 01. Januar 2015 eingeführt. Grundsätzlich beträgt er 8,50 Euro pro Stunde und ist im Mindestlohngesetz (MiLoG) geregelt. Bis zum Jahr 2017 gibt es für gewisse Branchen noch Übergangsregelungen, jedoch soll laut einem Ebook von Lexware ab 01.01.2018 der Mindestlohn ohne jede Einschränkung gelten. Zu diesem Zweck wurde das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) bis dahin für alle Branchen geöffnet. Es können also noch branchenspezifische Mindestlöhne unterhalb der allgemeingültigen Grenze vereinbart werden, jedoch müssen diese spätestens ab 2017 bei mindestens 8,50 Euro pro Stunde liegen. Dies gilt auch für Zeitungszusteller, die als Branche sogar extra im Mindestlohngesetz erwähnt werden. Eine Anpassung des Mindestlohns soll nach § 4 MiLoG durch eine Mindestlohnkommission (1 Vorsitzender, jeweils 3 stimmberechtigte Vertreter von Arbeitnehmer- und Arbeitgeber sowie zwei beratende Mitglieder aus der Wissenschaft) erfolgen, die erstmals zum 01.01.2017 eine Veränderung vorgeben muss (§9 MiLoG). Danach wird der Mindestlohn alle 2 Jahre an die Marktgegebenheiten angepasst.

Der deutsche Mindestlohn im Überblick:

  • Wurde 2015 eingeführt
  • Ab 2017 erfolgt alle 2 Jahre eine Anpassung
  • Aktueller Mindestlohn: 8,50 Euro pro Stunde
  • Bis spätestens 2018 sollen alle Übergangsregelungen in den normalen Mindestlohn münden

Ausnahmen vom Mindestlohn – Deutschland und Polen im Vergleich

In Polen gilt der Mindestlohn nahezu uneingeschränkt für alle Arbeitnehmer. Lediglich bei Berufsanfängern ohne Einzahlungen in die polnische Sozialversicherung kann im ersten Jahr auch auf 80% des Mindestlohns ausgewichen werden. Die Liste der Ausnahmen in Deutschland ist hingegen deutlich länger:

  • Minderjährige Arbeitnehmer
  • Langzeitarbeitslose (mindestens 1 Jahr arbeitslos gemeldet) haben in den ersten 6 Monaten keinen Anspruch auf Mindestlohn
  • Auszubildende
  • Praktikanten im Pflichtpraktikum (Studium/Schule)
  • Praktikanten im freiwilligen Orientierungspraktikum (Dauer bis 3 Monate)

Mindestlohn in Polen und Deutschland – der abschließende Vergleich

Der Mindestlohn in Polen und Deutschland unterscheidet sich nominell in seiner Höhe sehr deutlich. Da jedoch auch immer die Lebenshaltungskosten in einem Land herangezogen werden müssen, ist der Unterschied eher marginal. In dieser Tabelle werden die wichtigsten Unterschiede dokumentiert:

polnischer Mindestlohndeutscher Mindestlohn
Höhe425 Euro pro Monat8,50 Euro pro Stunde
Anpassung1 mal jährlichab 2017 alle 2 Jahre
AusnahmenBerufsanfänger im ersten Jahr ohne Einzahlungen zur SozialversicherungMinderjährige, Kurzzeitpraktikanten, Auszubildende Langzeitarbeitslose für 6 Monate, Beschäftigte in Branchen mit Übergangsregelungen

Tabelle 1: Unterschiede beim Mindestlohn in Deutschland und Polen

Es bleibt abzuwarten, wie sich der Mindestlohn in Deutschland entwickelt, jedoch gehört er in Polen schon seit langem zu einer echten Säule der Versorgung der Beschäftigten, das gilt besonders für strukturschwache Gebiete im ländlichen Bereich wie Ermland und Masuren.

Lesen Sie zum Thema Mindestlohn auch diesen Artikel in Das Polen Magazin:

Umfrage: Führt der Mindestlohn zu Arbeitsplatzverlusten? Grafik: Ermland-Masuren Journal