Tykocin – Das europäische Storchendorf

Störche bei der Familienplanung, Foto: B. Jäger-Dabek
Störche bei der Familienplanung, Foto: B. Jäger-Dabek

Als bedeutendstes Sommerrevier europäischer Störche gilt der grüne Nordosten Polens und dort die Landschaften Masurens und Padlachiens, die den Vögeln optimale Lebensbedingungen bieten. Jeder zweite europäische Storch ist Pole, viele davon leben in Ermland und Masuren. Doch nun müssen alle Masurenfans unter den Storchliebhabern ganz tapfer sein, denn nicht im masurischen Żywkowo (Schewecken) sondern wohl nirgends als rund um das alte Landhaus in Pentowo, einem Ortsteil von Tykocin.gibt es mehr Weißstörche auf engstem Raum. Und dieser Ort liegt in der Nachbarwoiwodschaft Podlachien nicht weit von Białystok und am Rand der Überschwemmungsflächen der Narew.

Europäisches Storchendorf

Hier ist alles belegt, das Dach des Hauses, die Scheune, sogar die Bäume ringsum, überall finden sich die Storchennester, aus denen der Nachwuchs neugierig herausschaut. Hier habe es schon immer mehrere Storchenpaare gegeben, erzählen die Besitzer des Landhauses.

Ein einziger Hof im Ortsteil Pentowo beherbergt hier in Tykocin die größte polnische Weißstorchkolonie. Viele Nester wurden in den letzten Jahren erneuert oder neu gebaut und nun werden Jahr für Jahr mehr als 20 Storchenpaare in der Umgebung des Hofs gezählt. Auf einer Tafel am Eingang wird alles genau notiert. Im Jahr 2013 kamen demnach 27 Paare nach Pentowo, die dort 86 Junge großzogen. Meist kommen die Störche Mitte März aus Südafrika in Pentowo an und ziehen hier wieder bis Mitte/Ende August ihre Jungen groß. Storchenfreunde und Hobbyornithologen können die Vögel von einem kleinen Beobachtungsturm aus beobachten und erfahren im Informationszentrum alles Wissenswerte..

Im Jahre 2001 wurde die knapp 7.000 Einwohner zählende Gemeinde Tykocin, die etwa 35 km westlich von Białystok liegt, von der internationalen Umweltstiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) mit dem Titel Europäisches Storchendorf ausgezeichnet. Besonders die Arbeit von Henryka und Bogdan Toczylowskiim Ortsteil Penkowo ist für diese Auszeichnung verantwortlich. Durch die Initiative der Hofbesitzer in Zusammenarbeit mit dem lokalen Vogelschutzverband PTOP (Polnischer Bund für Vogelschutz) ist es durch den Bau von Nisthilfen, besonders aber durch biotopverbessernde Maßnahmen, gelungen, die Zahl der Nester auf entscheidend zu erhöhen.

Urlaub im Zirkuswagen oder im Gutshof

Man kann ihnen bei der Storchenpflege zuschauen und sich bei ihnen direkt informieren, denn auf ihrem 100 Jahre hübschen alten Anwesen vermieten sie insgesamt fünf Zimmer an Gäste, wer möchte, kann hier auch campen. Die Attraktion des Hofes Pentowo ist der Zirkuswagen, in dem man Ferien machen kann, wie man es sich als Kind erträumt hat. Neben der Storchenbeobachtung können die Gäste auf dem schön restaurierten, seit über 200 Jahren im Besitz der Familie Toczylowski Gutshof in Pentowo stilvoll übernachten, reiten, mit der Kutsche fahren oder Räder ausleihen und Touren in die Umgebung machen.

Tykocin – Einst auch jüdisches Shtetl

Die nahe gelegene Kleinstadt Tykocin war einst ein Zentrum jüdischen Lebens, das unterging mit dem Mord an seinen Bewohnern, die Ende August 1941 von Deutschen zusammengetrieben, erschossen und in drei Gräbern verscharrt wurden. Erhalten blieb in Tykocin, das auch Perle des Barock genannt wird, die aus dem Jahre 1642 stammende größte noch stehende Synagoge im Nordosten Polens. Dort ist heute ein Museum für jüdische Kultur untergebracht. Um den alten Marktplatz herum steht eine Reihe schöner Häuser aus dem 18. Jahrhundert, das “Alumnat”, Europas erstes Armenhaus für Kriegsveteranen sowie die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Tykocin liegt nahe der Hauptstraße zwischen Warschau und Bialystok und ist daher leicht zu erreichen.