Meilenstein bei der Rettung der Lehndorffschen Erbbegräbniskapelle in Steinort

Die vier Zimmerleute Malte Urban, Marius Wiener, Paul Neumann und Vitus Mändli (in Berufskluft v.l.n.r.) und Prof. Wolfram Jäger (Foto: Sebastian Bartsch)

Die Zimmerleute Malte Urban, Marius Wiener, Paul Neumann und Vitus Mändli (v.l.n.r.) und Prof. Wolfram Jäger (Foto: Sebastian Bartsch)

Am 14. Juli 2018 haben auf der Wanderschaft befindliche Zimmerleute von der Gesellschaft „Freie Vogtländer Deutschlands– Einheimische und reisende Bauhandwerker“ den Richtbaum auf den sanierten Dachstuhl der 1855 nach Plänen des bekannten Berliner Baumeisters Friedrich August Stüler erbauten Erbbegräbniskapelle gesetzt und zünftig Richtfest gefeiert. Knapp 100 Gäste waren gekommen, um dem feierlichen Akt beizuwohnen und sich über das Erreichen des ersten Meilensteins bei der Rettung dieses architektonischen Kleinods zu freuen. Unter Ihnen waren der Eigentümer, die Polnisch-Deutsche Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz – vertreten durch den deutschen Honorarkonsul aus Olsztyn Wojciech Wrzecionkowski, der stellvertretende Bürgermeister von Wegorzewo Andrzej Lachowicz mit Vertretern der Gemeinde sowie der Senator Wieslaw Pietrzak. Wandergeselle Malte Urban hielt den Richtspruch und Wojciech Wrzecionkowski durfte als Vertreter des Eigentümers den letzten Sparrennagel einschlagen. Es folgten Grußadressen der Generalkonsulin Cornelia Pieper, der Vorsitzenden der Lehndorff-Gesellschaft Dr. Bettina Bouresh und des Chefs der Sächsischen Staatskapelle Dresden Christian Thielemann. Wojciech Wrzecionkowski dankte den Akteuren und Förderern des Vorhabens für Ihren Einsatz und Andrzej Lachowicz unterstrich die Bedeutung der Arbeiten für die Wiederherstellung der touristischen Anziehungskraft der Kapelle und sagte weitere Unterstützung im Rahmen des Möglichen zu. Marschall Gustaw Marek Brzezin brachte in seinem Brief an die Akteure und Gäste die Bedeutung der Initiative für die Zukunft des Schlosses zum Ausdruck und würdigte den Erfolg als einen weiteren Schritt zur Wiederbelebung von Steinort und zur Rettung seines Schlosses. Pfarrer Krystian Borkowski erteilte zum Schluss den Segen.

Möglich geworden war die Sanierung des maroden Dachstuhls durch die Initiative von Prof. Wolfram Jäger, Inhaber des Lehrstuhls für Tragwerksplanung an der TU Dresden, der ausgewiesener und international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Sanierung historischer Bauwerke ist. Er hatte nicht nur durch eine private Spendenaktion eine Bewegung zur Rettung dieses beeindruckenden Werkes von Friedrich August Stüler entfacht, sondern auch mit einer intelligenten Gerüstlösung die Inangriffnahme der Arbeiten überhaupt erst einmal ermöglicht. Mit einem abgebundenen Auslegergerüst konnten erhebliche Kosten gespart und die knappen finanziellen Mittel umfänglich in die Dach- und Mauerwerkskonstruktion gelenkt werden. Die Beauftragte der deutschen Bundesregierung für Kultur und Medien unterstützt die Initiative ebenso wie die Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz und die Lehndorff-Gesellschaft Steinort e.V. Dankenswerterweise hat aber auch die Industrie das Vorhaben mit Materialspenden großzügig unterstützt, von denen hier Wienerberger, Remmers, Xella, Tubag, Egger und die Hermann Graf von Hatzfeldt Wildenburg´sche Verwaltung genannt sein sollen. Junge Mitarbeiter des Lehrstuhls und der Jäger Ingenieure GmbH hatten in freiwilliger Arbeit die planerische Vorbereitung übernommen und  Architekt Mikolaj Nowakowski die erforderlichen Genehmigungen besorgt. Matthias Hohl als örtlicher Bauunternehmer stand beim Rückbau und beim Aufrichten mit Maschinen und Geräten sowie seinen Arbeitern den Zimmerleuten hilfreich zur Seite. Er hatte auch entsprechenden Druck ausgeübt, sodass das fast 2 Meter große Kreuz nun wieder die Kapelle bekrönt. Es waren davon nur noch Einzelteile erhalten, die als Vorlage für einen Ersatz dienten, den die Lehndorffgesellschaft mit einer Sonderspendenaktion ermöglicht hat. Dank gilt auch der Gemeinde Wegorzewo, die den bis dahin schwer befahrbaren Weg durch sumpfiges Gebiet für das Richtfest und die weiter folgenden Arbeiten an der Kapelle auf eigene Kosten zur Unterstützung des Vorhabens hergerichtet hat.

Jungingenieur Paul Neumann von den Jäger Ingenieuren,  der selbst fast drei Jahre auf Wanderschaft war, fungierte als Zimmererpolier und hat den rechnerischen Abbund bearbeitet und geleitet. Ihm gebührt Achtung, denn am Ende passten alle Verbindungen mm-genau, ohne  dass er von dem Mittel der Luftschiftung Gebrauch gemacht hat. Sein Bestreben war es, so viel wie möglich von dem Altholz  wieder zu verwenden und durch Anschuhen und Teilersatz abgebaute Partien einzelner Hölzer zu ersetzen. Höhepunkt war das Wiedereinsetzen des Kaiserstieles, der immerhin ein Gewicht von knapp 600 kg hat und die 300 kg wiegende Gusskugel und das Kreuz trägt.

Beim Aufrichten des Dachstuhls waren Muskelkraft und Rückbesinnung auf Grundregeln der Mechanik gefragt. Erstens hätte ein Kran es durch das sumpfige Gebiet gar nicht geschafft, an Ort und Stelle zu kommen und zweitens wäre eine kostspielige Anfahrt von weit her notwendig geworden. So dauerte das Richten zwar etwas länger, verursachte aber weniger Kosten.

Nachdem die Zimmerleute zum Schluss einen Stiefel Bier geleert hatten, ging es zurück per Schiff oder zu Fuß zum Schloss, wo dann das Ereignis bei Bratwurst und Bier traditionell bis in die Abendstunden gefeiert wurde.

Der erreichte Meilenstein bei der Sicherung der Stülerschen Kapelle ist Erfolg bürgerlichen Engagements und nicht nachlassender Initiative und damit Zeichen eines Aufbruchs bei der Rettung und Sanierung von Schloss Steinort selbst.