Braniewo: Schlesische Bergleute blockierten Bahn-Grenzübergang nach Russland

Kohlegrube KWK Szombierki in Bytom, Foto: Piotr 1952/ fotopolska.eu, CC-BY-SA-3.0
Kohlegrube KWK Szombierki in Bytom, Foto: Piotr 1952/ fotopolska.eu, CC-BY-SA-3.0

Da staunte man nicht schlecht in Braniewo (Braunsberg), als gestern gegen 3:30 in der Frühe einige Busse aus Schlesien ankamen. An Bord hatten sie rund 200 schlesische Bergleute und Gewerkschafter, die sofort damit begannen, nahe der ul. Błotnej die Bahngeleise und damit den Grenzübergang ins russische Kaliningrader Gebiet zu blockieren. Nie! – dla ruskiego węgla w Polsce, „nein zu russischer Kohle in Polen“ hieß das Motto auf den Transparenten.

Die Kumpel wollten mit ihrer Aktion die Importe billiger russischer Kohle stoppen, indem sie alle Züge, die Kohle geladen hatten, an der Weiterfahrt hinderten. Der erste Kohlenzug aus Russland war für 5:00 Uhr angekündigt, kam aber nicht. Am Abend erreichten weitere streikende Bergleute ihre Kollegen in Braniewo .

Journalisten der Regionalzeitung Gazeta Olsztyńska gegenüber erklärte Jarosław Grzesik, der Vorsitzende der Bergleute-Solidarność , es handele sich hier um eine spontane Aktion. Die Kumpel hätten selbst in ihren Gewerkschaften für die Aktion gestimmt, unter den Streikenden seien nicht nur Solidarność-Mitglieder sondern auch Angehörige anderer Gewerkschaften. Die Bergleute bekräftigten seine Aussage, die Blockade könnte auch mehrere Tage dauern. Es seien zwei Stränge einer Aktion hörte man von den Kumpeln: Der Streik wegen der nicht gezahlten Gehälter und der Protest gegen russische Billigkohle, die in Schlesien mit zu Arbeitsplatzverlusten im Bergbau führe.

Die Kumpel würden nicht nur derzeit nicht bezahlt, sie verteidigten hier auch ihre Arbeitsplätze, erklärte Zbigniew Jaskólski, Vorsitzender der überbetrieblichen Koordinationskommission der Gewerkschaft Solidarność aus Jastrzębie-Zdrój (Bad Königsdorff-Jastrzemb). In Schlesien sei die Situation tragisch. Die Kohhlengruben seien hoch verschuldet, viele Kumpel verlören den Arbeitsplatz und die Arbeit unter Tage sei sehr schwer.

Man wolle den Zwischenhandel liquidiert wissen, weil der die Preise polnischer Kohle nach oben treibe, erklärte Jaskólski. Der Kohlepreis ab Grube betrage 500-600 zł pro Tonnen. Aber durch den Zwischenhandel müsse der Verbraucher mindestens das Doppelte zahlen. Daher würden die einfachen Leute russische Kohle kaufen, auch wenn die von schlechterer Qualität sei, fügte er an.

Um 9:00 Uhr am 24. September trafen sich Vertreter der protestierenden Bergleute noch einmal zusammen zu kommen, damit die Bergleute ihre Forderungen in Form einer schriftlichen Petition niederlegen konnten. Die Protestierenden mit dem angereisten Wojwodschaftsmarschall Marian Podziejewski, und verständigten sich, dass die Protestierenden am Grenzübergang Braniewo dem Wojwodschaftsmarschall Marian Podziejewski um 12:00 Uhr eine Petition zur Weitergabe übergeben würden.

Darin fordern die Bergleute vor allem die Umsetzung einer Begrenzung der „unfairen Kohleimporte“ aus Russland und weiter:

  • Die Einführung von Kohlenhandelskonzessionen
  • Die Einführung eines Zertifizierungssystems für Kohle
  • Die Begrenzung des Imports von Kohle niedriger Qualität
  • Die Einführung eines Gesetzes, dass in Polen kommunale Fernwärmenetze polnische Kohle verbrennen müssen.

Der Woiwode sandte die Petition wie verlangt umgehend an die Kanzlei der Premierministerin und an das Wirtschaftsministerium . Daraufhin brachen die protestierenden Bergleute die Aktion nicht etwa ab, sondern bekräftigten, dass sie so lange bleiben würden, bis die neue Premierministerin Ewa Kopacz auf ihre Petition geantwortet habe und konkrete Vorschläge für eine Änderung und einen fixen Termin zur Ausführung genannt habe.

Doch ganz so einfach ist die Lösung des Problems nicht, denn die polnische Bergbaukrise liegt nicht zuvorderst an russischer Billigkohle, sondern viel tiefer und ist hausgemacht. Niemand traut sich in Polen, den Menschen in Schlesien (drei Millionen Wähler), die noch immer mehrheitlich vom Bergbau und bergbaunahen Betrieben sowie Zulieferern leben, die Wahrheit zu sagen. Die 100.000 direkten Arbeitsplätze im Kohlebergbau und das Gros der bergbaunahen Jobs sind nicht zu halten und müssten um mindestens die Hälfte reduziert werden. Der Kohlekonzern Kompania Węglowa ist marode, ein Sanierungskonzept ist nicht in Sicht, dabei müsste dringend radikal entschuldet werden, damit der Konzern wieder zahlungsfähig ist und an neue Geschäfte denken kann.

Inzwischen machen Analysten die Solidarność und ihre Forderungen als Hauptbremsfaktor aus. Die Lohnzahlungen wären das geringste Problem sagen Polens Experten, es sind die vielen Privilegien aus der Zeit der Volksrepublik sowie der ersten der Solidarność nahen Nachwenderegierungen, die ihren verdienten Kämpen einen Geldregen in Form von sozialen Wohltaten spendierten, bei denen wohl weltweit keine Kohlebranche hätte überleben können. Zwei Drittel der Gehälter machen diese Privilegien aus, die soweit sie denn vorhanden waren, in allen anderen Wirtschaftsbereichen Polens längst abgeschafft sind. Problemverstärkend auf die Kohlenkrise kam der Preisverfall der Kohle auf dem Weltmarkt hinzu. Trotzdem kann man natürlich die polnische Regierung fragen, warum ausgerechnet Polen, das noch immer einer der großen Kohleproduzenten ist und deren Kohlegruben und mit ihnen die Kumpel im Existenzkampf stehen, aus Russland nach sieben Millionen Tonnen Kohle jährlich importieren muss. Die Antwort: Russische Kohle ist qualitativ gut und erheblich billiger als polnische Kohle. Es gibt in Polen auch keine Staatswirtschaft mehr, die mit Subventionen schützen und stützen könnten. Auch Polens Unternehmer orientieren sich längst preislich auf dem Weltmarkt.

Der Journalist Jan Dziadul schreibt in seiner Blog-Kolumne des Online-Portals Polityka, es sei eine Mär, dass russische Kohle von schlechterer Qualität sei, und zu Dumpingpreisen quasi auf Putins Geheiß auf den Markt käme. Alle Gruben in Russland seien modernisiert, längst privatisiert und auf Gewinnerwirtschaftung ausgelegt. Der Staat bezuschusse nur die Kosten für die bis zu 5.000 Kilometer langen Transportwege. Der Unterschied würden die Produktionskosten ausmachen, denn am Ural würde Kohle im Tagebau abgebaut. In Polen kostet das Fördern einer Tonne Kohle unter Tage 100 USD, in Russland im Tagebau aber nur 15-20 USD. Dazu fiel die Produktivität in den polnischen Gruben in den vergangenen Jahren um die Hälfte auf 600 Tonnen geförderter Kohle pro Beschäftigtem, liest man bei Jan Dziadul.