Ełk/Lyck: Mit der Kleinbahn namens Popp Masuren erleben

Eine Fahrt mit der Kleinbahn von Elk/Lyck, Foto: B.Jäger-Dabek

Von Ełk mit der Kleinbahn durch Masuren

Es ist kurz vor der Abfahrt. Der Bahnhofsvorsteher vom Kleinbahnhof der masurischen Stadt Ełk/Lyck in Polen setzt seine rote Dienstmütze auf, spannt sich, hebt energisch die Kelle und pfeift durchdringend. Die kleine Lokomotive quittiert das pfeifen mit einem heftigen Fauchen, Dampf quillt ihr zischend aus allen Ritzen. Ein Ruck und ächzend setzen die Kolbenstangen zu den ersten Hüben an, dann drehen sich die kleinen Räder, der Zug nimmt Fahrt auf.

Im Zuckeltrab – Blümchen pflücken während der Fahrt verboten – geht es vom Kleinbahnhof Ełk/Lyck ruckelnd zur Stadt hinaus, vorbei an kleinen Dörfern, durch geheimnisvoll dunkle Schatten spendende Wälder. Dann wieder durch weite Felder und Wiesen, an gleichmütig über das Grün schreitenden Störchen vorbei und immer wieder an silbern glitzernden Seen entlang tuckert das Bahnchen.

Die Dampflokomotive schnauft unermüdlich durch das immer menschenleerere Land, ein paar Mal wird die Fahrt an kleinen Haltestellen unterbrochen, dann geht es weiter – Blümchen pflücken während der Fahrt verboten – bis das Ende der Reise bei Sypitki erreicht ist. Ursprünglich endete die Linie nur wenige hundert Meter von der alten deutsch-polnischen Grenze entfernt.

Diese Reise in die Vergangenheit kommt der Entdeckung der Langsamkeit gleich und ist eine Einladung zur Muße und zum Einlassen auf das Tempo einer anderen Zeit, die alle Reisenden verzaubert. Das macht diese Fahrt mit der Lycker Kleinbahn zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Siegfried Lenz: Eine Kleinbahn namens Popp

Die Schmalspurbahn ist eine der Attraktionen der masurischen Hauptstadt Ełk/Lyck, und ist eng verbunden mit Lycks bekanntestem Sohn und Ehrenbürger von Ełk., dem Schriftsteller Siegfried Lenz. “So zärtlich war Suleyken” ist sein wohl bekanntestes Buch und in dem setzt er dieser Kleinbahn und ganz Masuren ein literarisches Denkmal. „Eine Kleinbahn namens Popp“ heißt die Geschichte, die einer Liebeserklärung gleichkommt.

In dieser zwölften Geschichte aus dem Buch “So zärtlich war Suleyken” beschreibt der masurische Schriftsteller die Eröffnung der Kleinbahn im wilhelminischen Ostpreußen, als plötzlich Amerika nahe kam, wie dem staunenden Volk verkündet wurde, verlockend und bedrohend zugleich. Doch die Suleyker entschieden sich für bedrohlich und fragten sich, was man dort denn solle, wo es doch daheim so schön sei. Und was wäre erst, wenn das kleine Bahnchen bei Regen womöglich ausrutschte? Aber die Bänkchen, die waren bequem. Ob man die nicht besser mit nach Hause nehmen sollte, fragte sich Großvater Hamilkar Schass…

Immer mit einem leichtem Zwinkern im Auge und der Schilderung seiner kauzigen Landsleute, die allesamt Originale waren, macht Lenz ganz nebenbei und mit leichter Hand deutlich, was für ein „Technologiesprung“ der Bau dieser Kleinbahn für die abgelegenen Dörfer bedeutete, der auch die Kreisstadt, ihre Arbeitsplätze und Bildungsmöglichkeiten nahe barchte.

Bau und Geschichte der Lycker Kleinbahn

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die hohe Zeit der Erschließung des bis dahin abgeschiedenen Ostpreußens. Auch Lyck wurde ans Bahnnetz angeschlossen und avancierte in Jahren 1868 bis 1885 zu einem regionalen Eisenbahn-Knotenpunkt. Der dünn besiedelte Osten des Kreises Lyck, der damals Grenzregion zum russischen Zarenreich war, blieb jedoch weiterhin unerschlossen. Die Verbindungen in den jenseits der Grenze liegenden russischen Teil des als Staat zu jener Zeit nicht existenten Polens waren ohnehin schwierig, ob der in Russland anderen Spurweite.
So entschied man sich nach der Jahrhundertwende zu einer kleinen Lösung, einer Schmalspurbahnlinie mit 750 mm Spurweite.

Mit dem Bau der 38 Kilometer langen Kleinbahnlinie von Lyck zu Grenzort Thurowen (Turowo) betraut wurde die neu von Staat Preußen, der Provinz Ostpreußen und de Bahnbauunternehmen Lenz&Co gegründete Lycker Kleinbahnen AG. Die Bauarbeiten begannen 1910, der erste Bauabschnitt von Lyck bis Borszymmen wurde am 22.Oktober 1913 in Betrieb genommen. Durch die Kriegshandlungen im Ersten Weltkrieg kam es zu einigen Zerstörungen, fast alle Wagen und Lokomotiven gingen verloren. Erst nachdem im Februar 1915 die russischen Truppen zurückgeschlagen waren und die Front sich immer mehr entfernte, konnten die Instandsetzungs- und Weiterbauarbeiten beginnen. Mit dem Bau der Zweiglinie von Lasken /Laski Małe nach Sawadden/Zawady-Tworki war die Lycker Kleinbahn im Oktober 1918 fertiggestellt.

Lokomotive der Kelinbahn in Elk/Lyck, Foto: Bj.Jäger-Dabek
Nach Kriegsende übernahm in der Weimarer Republik die Ostdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft ODEG in Königsberg Strecken und Betriebsführung und erwarb die Aktienmehrheit von Lenz & Co. Nach dem Beschluss zum Ausgliedern der Kleinbahnlinien übernahm die Insterburger Kleinbahn AG am 30. Juni 1924 die Lycker Kleinbahn und firmierte von da an als Ostpreußische Kleinbahnen AG.

Nach Kriegsende wurde die Lycker Kleinbahn von der polnischen Staatsbahn PKP übernommen und weiter betrieben. Im Jahr 1992 wurde die Lycker Kleinbahn (Ełcka Kolej Wąskotorowa) zum technischen Denkmal erklärt. Der Streckenabschnitt von Kalinowo/Kallinowen nach Turowo/Thurowen wurde 1997 nach einem schweren Brückenschaden eingestellt. Auf der restlichen Strecken fuhr die Lycker Kleinbahn noch bis zum Jahr 2000 im Liniendienst. Ihre Rettung nach der Stilllegung ist in erster Linie Privatinitiativen zu verdanken.

Und Masuren war ja schon immer ein Land der Originale und Träumer, das war zu deutscher Zeit so und ist es jetzt in Polen so geblieben. Da widersetzen sich Menschen der Stillegung und Verschrottung und kämpfen auch ohne große Finanzmittel einen zähen, beharrlichen Kampf. So wie die Brüder Adam und Miroslaw Sawczynski, die sich ihren Traum wahr machten und im Elker/Lycker Kleinbahnhof ein sehenswertes Eisenbahnmuseum einrichteten, indem man alles anfassen darf.

Ełcka Kolej Wąskotorowa: Sommerprogramm für Touristen

Heute wird die Ełcka Kolej Wąskotorowa vom Elker Zentrum für Sport und Erholung Mosir betrieben. Karten können dort in der Saison auf der Internetseite oder direkt per Mail vorbestellt werden, Sonderfahrten für Gruppen werden dort auch kurzfristig organisiert.

 

Weitere Informationen:

Ełcka Kolej Wąskotorowa
19-300 Ełk, ul. Wąski Tor 1
Tel. +48 87 610-00-00

Internet: http://www.mosir.elk.com.pl/ekw/index.html, E-Mail: kolejka.elk@o2.pl
Fahrplan: http://www.mosir.elk.com.pl/ekw/rozklad.html

Vom 1. Mai bis 31. August finden regelmäßige Fahrten auf der Strecke Richtung Turowo (Thurowen) bis Sypitki (Sypittken) statt. Abfahrt ist in Lyck immer um 10 Uhr, die Fahrtdauer beträgt pro Fahrtrichtung 45 Minuten, an der Endstation gibt es zwei Stunden Aufenthalt, dabei wird gegrillt. Der Fahrpreis beträgt 20 Złoty. Zuweilen finden am Wochenende im Hochsommer Fahrten noch etwas weiter bis zur Haltestelle am Jez. Nieciecz statt. Dort gibt es einen Aufenthalt zum Waldspaziergang, je nach Jahreszeit mit Blaubeersammeln oder die Gelegenheit zum Baden.

Ein längeres Video zur Lycker Kleinbahn findet man in der ARD-Mediathek.