Dem polnischen Institut des Nationalen Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej, IPN) ist es gelungen, das Testament von Erich Koch zu erwerben, eines der graumsamsten und brutalsten Würdenträger des 3. Reichs. Sie Testament ist die komprimierte Geschichte seiner öffentlichen Funktion in Hitler-Deutschland. Geschrieben hat Koch das Testament 1967 im Gefängnis Barczewo (Wartenburg) vor einer Operation.
Erich Koch (1896-1986) war als gelernter Kaufmann zunächst im Eisenbahndienst beschäftigt. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Soldat von 1914-1918 teil, danach war er Freikorpskämpfer in Oberschlesien. Mit der Mitgliedsnummer 90 trat er 1922 in die NSDAP ein. Den Ruhrkampf machte er mit Albert Leo Schlageter mit und war in der Gauleitung Ruhr tätig. Wiederum war er einer der Ersten, der 1926 der neu gegründeten NSDAP beitrat. Schnelle stieg er zum stellvertretenden Gauleiter des Gaus Ruhr auf, aus dem Eisenbahndienst musste er ausscheiden. Bereits 1928 wurde Koch zum Gauleiter von Ostpreußen berufen. Ab 1930 war er auch Reichstagsmitglied. Nach der Machtergreifung wurde er Preußischer Staatsrat. Die wachsende Machtfülle machte es Koch möglich den ostpreußischen Oberpräsidenten Wilhelm Kutscher aus dem Amt zu drängen und dessen Nachfolge anzutreten. Koch hatte also rasch das Ruder an sich gerissen und hatte nun die Möglichkeit, mit Rücksichtslosigkeit und Korruption die Erich-Koch-Stiftung zu einem Apparat enormer Selbstbereicherung zu machen. Hitler und die Reichsleitung nahmen das hin, denn unter Koch „funktionierte“ Ostpreußen. Die Arbeitslosigkeit wurde mit rigorosen Mitteln eingedämmt, die Verwaltung gleichgeschaltet, jegliche Opposition wurde buchstäblich vernichtet. So wurde Ostpreußen zum nationalsozialistischen „Mustergau“.
Noch besser funktionierten Ausbeutung und Selbstbereicherung nach Kriegsbeginn, als Koch zum Reichsverteidigungskommissar von Ostpreußen wurde. Zwar musste Koch nach abgeschlossenem Polenfeldzug die westpreußischen Kreise an den neuen Reichsgau Westpreußen abtreten, der später zum Reichsgau Danzig-Westpreußen wurde. Doch dafür wurden dem Gau Ostpreußen der rein polnische neu gegründete Regierungsbezirk Zichenau (Ciechanów) zugeschlagen. Nach dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion wurde Koch 1941 Zivilkommissar und war nun im Raum Białystok Chef der Zivilverwaltung und damit verantwortlich für die Besatzungspolitik. Wenis später wurde er auch noch Reichskommissar für das Reichskommissariat. Sein Herrschaftsbereich war nun komplett und reichte von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und von der Weichsel bis zum Dnepr.
Zu Kochs Entscheidungsbereichen gehörten die Beschaffung von Zwangsarbeitern für die deutsche Industrie und Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit Fritz Sauckel, dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Dazu kamen Verfolgung und Vernichtung polnischer und ukrainischer Juden. Dazu ließ er alle höheren Bildungsanstalten schließen um Polen und Ukrainer zu Arbeitssklaven zu machen. Die Ukraine wurde von Kochs Schergen wirtschaftlich regelrecht ausgesaugt, der weitaus größte Teil der Lebensmittelproduktion ging nach Deutschland.
Als das Ende nahte, wurde Koch im November 1944 zum Leiter des ostpreußischen Volkssturms ernannt und schickte Kinder, Greise und Schwerbehinderte zu „Deutschlands Rettung“ an die Front. Koch verhinderte systematisch die rechtzeitige Evakuierung Ostpreußens, auch Frauen und Kinder sollten einen „Schutzwall aus Leibern“ bilden. Sogar der Königsberger Festungskommandant General Otto Laasch trat mehrmals an Koch heran mit der Bitte die schon seit den Bombenangriffen des Sommer 1944 schwer beschädigte und inzwischen völlig zerstörte Stadt kapitulieren zu lassen. Letztlich kapitulierte Laasch am 9. April 1945, als die Rote Armee fast vor seiner Bunkertür stand. Kcoh schwärzte Laasch daraufhin bei Hitler per Telgramm an, und erklärte Laasch zum Feigling. Der in sowjetische Gefangenschaft gegangene Laasch wurde in Abwesenheit wegen Feigheit vor dem Feind zum Tode verurteilt, seine Familie zu Sippenhaft.
Der oberste Volkssturmmann Koch aber war längst nicht mehr in Königsberg, auch wenn er erklärte, er würde im Samland weiter kämpfen. Zeitweilig (Februar/Anfang März) wurde Koch mehrfach im Heiligenbeiler Kessel gesehn, wo er sich um die „Flüchtlinge bei deren Flucht über das Haff zu kümmern“. Danach setzte sich sein Stab auf die Frische Nehrung nach Neutief ab. Mit einem seiner requirierten Flugzeuge flog er immer wieder in Königsberg ein, um den Eindruck zu erwecken, er sei noch da. Am 24. April setzten Koch und sein Gefolge sich nach Hela ab. Mit einem dort bereitstehenden Eisbrecher gelang ihm die Flucht über die Ostsee über Saßnitz und Kopenhagen nach Flensburg, wo er am 5. Mai 1945 eintraf. Mit neuer Identität und neuen Papieren tauchte Koch unter, überstand unentdeckt eine kurze Kriegsgefangenschaft. Entdeckt wurde Koch bei einer frühen Flüchtlings- und Vertriebenenversammlung, ein Teilnehmer zeigt ihn an und am 24. Mai 1949 verhaftet. Koch pochte auf das drei Tage zuvor ein Kraft getretene Grundgesetz, nach dem ein deutscher Staatsbürger nicht ins Ausland ausgeliefert werden dürfe. Doch Koch blieb in Haft und die britische Besatzungsmacht die Volksrepublik Polen davon in Kenntnis, dass man Koch inhaftiert habe, worauf Polen am 24. Juli 1949 einen Auslieferungsantrag stellt. Ein Extradition-Tribunal in Hamburg stellte fest, dass nach den Bestimmungen, dass deutsche Kriegsverbrecher in das Land überstellt werden, in denen sie ihre Verbrechen begangen hatten. Außerdem stellt es nach Art II, Kontrollratsgesetz NR. 10 Erich Koch als Kriegsverbrecher angeklagt wird. Polen und inzwischen auch die Sowjetunion hatten bereits umfangreiches Beweismaterial zusammengetragen. Koch wurde nach Polen überstellt, das Polen das Auslieferungsbegehren früher gestellt hatte, als die Sowjetunion. Koch wurde 1950 nach Polen überstellt.
Immer wieder stellte Koch Gnadengesuche, reklamierte krank zu sein und verschleppte den Prozessbeginn bis 1957. Verhandelt wurde nun nur wegen Verbrechen gegen polnische Staatsbürger auf polnischem Territorium. Am 9. März 1959 wurde Erich koch zum Tode verurteilt. Doch wurde er nicht hingerichtet, da er krank war. Todesurteile durften aber in Polen nur gegen Gesunde vollstreckt werden. Ein Jahr darauf wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt, die Erich Koch im Staatsgefängnis Wartenburg (Barczewo) absaß. Er lebte dort nicht schlecht und trieb vor allen in den schlechten Jahren mit großem Mangel Ende der 1970-er und Anfang der 1980-er Jahren schwunghaften Handel. Versorgt wurde er gut, fast täglich kamen in Barczewo große Pakete an, oft aus Argentinien. Gefangene, die sich mit ihm gut stellten, hatten immer alles, was sie brauchten. Es war also anders, als immer behauptet wurde. Koch war keinesfalls überall in Vergessenheit geraten.
Geschieben hat Koch das Testament 1967 im Gefängniskrankenhaus Łódż kurz vor einer Operation, deren Ausgang ungewiss war. Das war auch zuvor bereits bekannt. Das nun erworbene Dokument besteht aus neun beidseitig beschriebenen DIN-A4-Seiten und ist von Hand in deutscher Sprache aufgesetzt. Es beginnt mit den Worten „Liebe Brüder, liebe Schwestern, liebe Verwandte und Freunde. Der Originaltext trägt Spuren von späterem Redigieren mit Verbesserungen und Unterstreichungen. Der Erhalt der Papiere ist dem Alter entsprechend.
In diesem Testament gibt es entgegen den Jahrzehnte währenden Gerüchte und Vermutungen keinerlei Informationen über das Bernsteinzimmer und dessen Verbleib. Dies versicherte der Regionalzeitung Gazeta Olsztynska gegenüber Dr. Rafał Leśkiewicz, Direktor des Büros für Zugänglichmachung und Archivierung der Dokumente des IPN. Sbwohl der polnische Geheimdienst SB als auch der KGB hatten Koch immer des Wissens um den Verbleib verdächtigt hatte. Man hielt es einfach für wahrscheinlich, dass Koch als Leiter der Verwaltung etwas wusste, belegen Geheimdienstprotokolle.
Entdeckt hat das IPN das Koch-Testament im Winter 2013 bei einem Sammler aus Barczewo, der sich für alte Dokument interessiert. Er ist auch Autor von historischen Büchern und bat das IPN um Anonymität. Der Sammler hatte sich selbst an das IPN gewendet und wollte das Dokument im Archiv für die Forschung zugänglich machen. Diese Testament, dass das IPN nun Forschern und Journalisten zugänglich machen will, ist nicht das einzige schriftliche Dokumentt Kochs im Besitz des IPN. Die übrigen Dokumente stammen aus der Archiv-Sammlung der ehemaligen Kommission zur Untersuchung von Verbrechen gegen das polnische Volk. Koch allein ist direkt für den Tod von 72.000 Polen verantwortlich sowie fast der ganzen jüdischen Bevölkerung von 200.000 Menschen, die in den vom Koch kontrollierten polnischen Gebieten lebten. Dabei handelte Koch keinesfalls auf Befehl, sondern auf Eigeninitiative.