Die Luisenbrücke-Grenze zwischen Litauen und dem Kaliningrader Gebiet in Sowjetsk/Tilsit, Foto: Kusurija, CC-BY-SA-3.0
Zäune und Mauern kommen wieder in Mode als eine Art Ultima Ratio der Sicherheitspolitik, egal ob es gegen Migranten, Flüchtlinge als Grenzsicherung geht oder als militärische Absicherung. Die Unterschiede beginnen zu verschwimmen, auch der, ob es bei der Maßnahme um EU- oder NATO-Belange geht.
Auch die EU schottet sich und ihre Außengrenzen zunehmend ab, doch wird das vor lauter Trump und Putin kaum noch bemerkt. So findet fast unbemerkt die Absicherung der EU-Außengrenzen an den Ostgrenzen in den drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland statt oder ist im konkreten Planungsstadium.
In Zeiten der Entsendung von NATO-Truppen nach Polen und in die drei Baltenrepubliken wird dieser neue Grenzzaun gern mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bürger in Zusammenhang gebracht, treffen doch im Baltikum EU-Außengrenzen und NATO-Ostgrenze hier zusammen. Doch ist der Zaunbau rechtlich betrachtet eine Maßnahme zur Sicherung und Überwachung der EU-Außengrenze. Tatsächlich ist er auch als Schutz gegen einen militärischen Übergriff Russlands nicht tauglich, weder Flugzeuge nach Drohnen, Raketen oder Panzer können von diesen Zäunen aufgehalten werden. So trägt auch die EU das Gros der Kosten für den Zaunbau in allen drei Baltenrepubliken.
Lettland und Estland sichern die EU-Außengrenze
In Lettland wird schon seit März 2016 gebaut. Dort besteht eine 276 km lange Grenze mit dem russischen Mutterland. Auf einem 92 km langen Abschnitt offenen Landes beginnend bei Ludza wird ein zweieinhalb Meter hoher Metallzaun mit Stacheldraht und Überwachungseinrichtungen gebaut.
In Estland sind die Verhältnisse schwieriger, dort will man mit einem ebenso zweieinhalb Meter hohen Zauns noch bis 2018 warten, da es noch keinen klaren rechtlich abgesicherten Grenzverlauf gibt. Noch ist der Vertrag um den Grenzverlauf mit Russland nämlich nicht von der russischen Duma bestätigt. Die lässt sich Zeit, gibt es doch den Passus, dass der Vertrag „konstruktiver bilateraler Beziehungen“ bedarf. Vor der Zustimmung der Duma kann die Grenze nicht markiert werden.
Zaunbau in Litauen – Kaliningrad ist eingeschlossen
Das Kaliningrader Gebiet von EU und NATO umgeben, Foto: CIA World Factbook , CC BY-SA 3.0
Litauen – und das ist die Besonderheit – baut seinen Metallzaun entlang der 288 km langen Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad. Litauens Außenminister Eimutis Misiunas kündigte an, im Frühjahr dieses Jahres mit den Bauarbeiten zu beginnen. Der 135 km lange Zaun soll bereits in diesem Jahr fertig gestellt sein. Dann soll er die Grenze zu Kaliningrad dort sichern, wo keine natürlichen Hindernisse wie Flüsse, Seen und Sümpfe den illegalen Grenzübertritt erschweren. Man sei dazu gezwungen wegen der geopolitischen Bedrohung durch Russland, verkündete Misiunas der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber. Auch die 677 Kilometer lange Grenze zu Weißrussland – ebenfalls eine Außengrenze der EU und des Schengenraumes – ist durch einen solchen Zaun gesichert.
Seit der Krim-Annektion von 2014 und der Ukraine-Krise herrscht Besorgnis in den drei Baltenrepubliken, zumal damals alles mit dem illegalen Grenzübertritt von „kleinen grünen Männern“ begann, die in ihren grünlichen Uniformen ohne Hoheitsabzeichen in Massen über die grünen Grenzen einsickerten, erklärte Misiunas den Hintergrund. Zudem erinnerte er noch an die im Oktober 2016 erfolgte bedrohliche Verlegung von russischen atomwaffenfähigen Iskander-M-Luftverteidigungsraketen vom Typ S-400 mit 700 km Reichweite ins Kaliningrader Gebiet. Die Sorgen im Baltikum sind also groß, da alle drei Länder auch noch starke russische Minderheiten im Land haben. Dass es sich um einen Zaunbau der EU handelt, erwähnte Misiunas nicht. Doch übernimmt die EU mit 25 Mio Euro den Löwenanteil der Kosten, der litauische Staatshaushalt steuert nur 3,6 Mio Euro bei.
Die Besonderheit dieses Zauns zum Kaliningrader Gebiet? Die einst zu Ostpreußen gehörende Region Königsberg ist damit abgeschottet, die Grenzen sind undurchlässig wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. Viele Menschen in der russischen Exklave fühlen sich wie eingeschlossen. Die Betuchten haben keine Probleme ein Schengen-Visum zu erhalten. Die Normalverbraucher aber sitzen fest.
Wie anders noch war es vor einem Jahr? Der kleine Grenzverkehr mit Polen machte auch Städte wie Elbląg (Elbing) und Gdańsk (Danzig) mit den großen Shoppingmalls erreichbar. Alles ist billiger in Polen für die Kaliningrader, man kaufte seine Lebensmittel dort, schaffte Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik in Polen an, kaufte den Danziger IKEA-Markt leer und machte Urlaub an den masurischen Seen. Die Polen fuhren zum Tanken über die Grenze und machten Urlaub an der Kurischen Nehrung und der Samlandküste. Das Geschäft blühte auf beiden Seiten, man kam sich näher, die ganze strukturschwache Region profitierte.
Doch das ist Geschichte. Im Sommer letzten Jahres wurde der kleine Grenzverkehr mit Kaliningrad von polnischer Seite ausgesetzt. Begründet wurde das mit Sicherheitsbelangen zum NATO-Gipfel im Warschau und dem sich anschließenden Weltjugendtag mit Papstbesuch in Polen. Trotz aller Eingaben, Bitten und Forderungen von Bürgern und Politikern aus der Woiwodschaft Errmland-Masuren wurde der kleine Grenzverkehr nicht wiedereingesetzt. Als Bilanz dieser Ära konnte man ein wachsendes Verständnis der Bürger füreinander verbuchen, einen großen wirtschaftlichen Vorteil auf beiden Seiten. Neue Supermärkte wurden in Polen gebaut, der Fremdenverkehr nahm zu, in der Woiwodschaft Ermland-Masuren wurden russische Touristen zu einem Wirtschaftsfaktor. Illegale Grenzübertritte gab es nicht, Versuche wurden entdeckt, denn der Grenzübertritt geschah ja nicht unkontrolliert. Dennoch blieb Warschau hart.
Die Südgrenze des Kaliningrader Gebiets war also für den Normalbürger bereits geschlossen, der Zaun an der Nordgrenze zu Litauen macht auch diese Grenze dicht. Dabei war der Zugang vor allem zur russisch-litauischen Grenze schon immer erschwert durch die russischen Sperrgebiete entlang der Grenze auf der Kurischen Nehrung, der Elchniederung. Auch an der Rominter Heide und an der Haffseite der Grenze zu Polen gibt es Sperrgebiete. Das Inseldasein wird das Alltagsleben im Kaliningrader Gebiet nicht leichter machen, zumal auch ein Tourismusrückgang befürchtet wird. Vor allem aber fürchtet man die wirtschaftlichen Folgen einer Abwanderung russischer Investoren.