Pieniężno: Das Tschernjachowski-Denkmal kommt weg

Tschernjachowski-Denkmal in Pieniężno (Ende der 70-er Jahre), Foto: B. Jäger-DabekEine Entscheidung des Stadtrats von Pieniężno (Mehlsack) im Ermland sorgte für Empörung in der nahen russischen Kaliningrader Oblast (Königsberger Gebiet). Am 30. Januar beschloss der Stadtrat von Pieniężno, das Denkmal für den in der Nähe am 18. Februar 1945 gefallenen General der Roten Armee Iwan Danilowitsch Tschernjachowski beseitigen zu lassen. Das Denkmal war in der zweiten Hälfte der 1970-er Jahre nicht weit von dem Platz erbaut worden, an dem Tschernjachowski tödlich verletzt worden. Als Grund für den Beschluss gab Bürgermeister Kazimierz Kiejdo an, dass Tschernjachowski für die Stadträte als Symbol des Kommunismus und Totalitarismus gilt.

Zuvor habe sich der Stadtrat mit sachverständigen Institutionen abgestimmt, wie dem Institut des Nationalen Gedenkens (Instytut Pamięci Narodowej), dem Rat zur Verteidigung des Andenkens an Kampf und Märtyrertum (Rada Ochrony Pamięci Walk i Męczeństwa) sowie des Parlamentsausschusses zur Beseitigung der Symbole des Nazismus uns Kommunismus aus dem öffentlichen Raum, erklärte Bürgermeister Kiejdo der Regionalzeitung Gazeta Olsztynska gegenüber.

Tschernjachowski wird von polnischen Historikern vorgeworfen, nach dem Aufstand der polnischen Untergrundarmee Armia Krajowa (AK) gegen die deutsche Besatzung kurz vor der Einnahme von Wilna (Vilnius) durch die Rote Armee für die Tötung von bis zu 8.000 polnischen AK-Kämpfern verantwortlich gewesen zu sein. Für die Wilna-Operation wurde Tschernjachowski zum jüngsten Armeegeneral der Sowjetunion befördert.

Der Beschluss des Stadtrats blieb in Russland nicht unbemerkt. Bürgermeister Kiajdo erklärte, selbst die russische „Iswestia” habe über den Beschluss in Pieniężno berichtet, dort habe die Politologin und Polenspezialistin Dr. Larissa Likoschina geäußert, in der polnischen „Propaganda“ würden Russen als genau solche Aggressoren und Okkupanten angesehen, wie die Deutschen. Die polnische Russophobie sei Fakt. Außerdem seien dort 600.000 sowjetische Soldaten gefallen. Nur deshalb befände sich das ostpreußische Mehlsack heute innerhalb der polnischen Grenzen, fügte sie an.

Vor allem in Kaliningrad (Königsberg) waren die Reaktionen heftig. Einen Akt der Barbarei durch die Polen nannten Kaliningrader Medien den Beschluss. Fast alle Zeitungen machten dort mit dem Thema auf der Titelseite auf. Internetkommentare stießen ins gleiche Horn und drohten einen Boykott des Einkaufstourismus im Rahmen des Kleinen Grenzverkehrs an. Im Kaliningrader Gebiet gilt Tschernjachowski als Held des Großen Vaterländischen Kriegs und der Schlacht um Königsberg. Nicht zuletzt deshalb war er zweimaliger Held der Sowjetunion. In der russischen Exklave gibt es mehrere Tschernjachowski-Denkmäler, dazu wurde eine Stadt nach ihm benannt: Insterburg heißt heute Tschernjachowsk (Черняховск).

Am Dienstag vergangener Woche reiste eine russische Delegation nach Pieniężno. Zur Abordnung gehörten der russische Generalkonsul aus Danzig Alexander Karatschewzew, sowie aus der Kaliningrader Olblast Alexej Zaliwazki, der Bürgermeister von Mamonowo (Heiligenbeil), sowie die Leiterin der Agentur für internationale und interregionale Beziehunge Kaliningrads Alla Iwanowa. Sie wurden von zahlreichen russischen Journalisten begleitet. Einige Tage später erhielt auch Marian Podziewski, der Wojwode von Ermland-Masuren Besuch vom Kaliningrader Gouverneur Nikolai Tzukanow.

Stadtrat und Bürgermeister jedoch blieben bei diesem Beschluss. Als Kompromiss bot man jedoch der russischen Seite an, das Denkmal auf einen der russischen Soldatenfriedhöfe in Pieniężno oder Braniewo (Braunsberg) zu verlegen.

Hintergrund: Iwan Danilowitsch Tschernjachowski

Iwan Danilowitsch Tschernjachowski (1906-1945) war ein Offzier der Roten Armee. Nach seinem Armeeeintritt mit 18 Jahren besuchte er die Offiziersschulen für Infanterie und Artillerie. Nach kurzem Truppendienst wurde er zum Studium an der Militärakademie abkommandiert, das er 1936 abschloss. Bei Kriegsbeginn 1941 war er bereits Divisionskommandeur. Er machte weiter schnell Karriere und wurde am 5.5.1942 zum Generalmajor befördert. Für die Rückeroberung der Stadt Kursk wurde er am 14.2.1943 zum Generalleutnant befördert. Im Frühjahr 1944 wurde Tschernjachowski zum Kommandeur der 3. Weißrussischen Front ernannt. Am 28. Juli folgte die Beförderung zum mit 38 Jahren jüngsten General der Roten Armee befördert.

In der Operation Bagration führt er seine Truppen gegen die zusammenbrechende deutsche Heeresgruppe Mitte an die ostpreußische Grenze und im Herbst 1944 bereits erstmals darüber hinaus bis nach Goldap, Nemmersdorf und Gumbinnen. Jedoch wurden die sowjetischen Truppen ein letztes Mal von den Deutschen zurückgeschlagen. Ab dem 13. Januar 1945 fürhrteTschernjachowski mit der 3. Weißrussischen Front den Vorstoß auf Königsberg in der Schlacht um Ostpreußen, in deren Verlauf er zum Oberbefehlshaber von Ostpreußen ernannt wurde. Am 17. Februar 1945 geriet das Fahrzeug von Tschernjachowski unter deutsches Granatfeuer. Tschernjachoski wurde von Granatsplittern tödlich getroffen und starb am darauffolgenden Tag. Beerdigt wurde Tschernjachowski in Wilna. Nach dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Litauens wurden seine sterblichen Überreste nach Moskau überführt.