Polnische Ostern in Ermland und Masuren

Gesegneter Osterkorb Polen, Foto: Silar, CC-BY-SA-3.0 Nur langsam fasst der Osterhase mit viel Werbeaufwand als lila Schmunzelhase Fuß in Polen. Besonders in Ermland und Masuren ist Ostern noch immer ein großes Fest des Glaubens. Das gilt sowohl für die wenigen noch lebenden evangelischen Masuren, als auch für die katholische Mehrheit in der Woiwodschaft.

Aus der Dunkelheit zum Licht

Das Osterfest hat als Höhepunkt im Kirchenjahr eine zentrale Bedeutung für die Polen, denn Polen ist katholisch und die Kirche hat einen Einfluss auf die Gesellschaft, wie sonst allenfalls noch in Irland. Entsprechend lebendig geblieben sind der Volksglaube und die damit verbundenen christlichen Traditionen in den polnischen Familien. So gesehen nimmt es nicht weiter Wunder, dass das polnische Osterfest nicht vom Osterhasen sondern von der Auferstehung Christi beherrscht ist.

Vor der Freude der Auferstehung aber liegt die Karwoche mit ihren getragenen, von Trauerstimmung beherrschten Festlichkeiten, die am Palmsonntag ihren Anfang nehmen und Mittwoch mit dem Beginn der Mysterienspiele fortgeführt werden, die teils seit Jahrhunderten überliefert sind. Außerdem werden Judas darstellende Strohpuppen von Jugendlichen die Kirchenstufen oder einen Abhang heruntergeworfen oder in einem nahen Gewässer ertränkt.

Gründonnerstag wird in allen Kirchen des Landes ähnlich begangen wie im Paulinerkloster auf dem „Hellen Berg“ Jasna Góra in Tschenstochau, dem wichtigsten polnischen Wallfahrtsort, der jährlich von Tausenden und Abertausenden Pilgern besucht wird. Dort verehren die Gläubigen seit dem 14. Jahrhundert die Mutter Gottes als Königin Polens und aller Polen. Am Gründonnerstag wird die „Schwarze Madonna“ von den Paulinermönchen eingerahmt von einer eigenen Liturgie neu gekleidet, Kleid und Krone des Bildes werden während einer feierlichen Andacht gewechselt. Später waschen hier wie überall im Lande Würdenträger der Kirche in einer Geste der Demut die Füße von zwölf Greisen.

In den Familien beginnen die Vorbereitungen auf das Fest, man brät, kocht und backt auch heute noch zwar mit moderner Technik, aber nach alten Traditionen und Abläufen, die genau festlegen, wann was gemacht wird. Jede Familie hat ihre eigenen überlieferten Rezepte, auf die sie schwört, das Babka – Rezept der eigenen Großmutter ist immer das beste. Die entbehrungsreiche, vierzigtägige des Fastenzeit erreicht am Karfreitag ihren Höhepunkt, strenggläubige Polen nehmen an diesem Tag nur etwas Wasser und Brot zu sich, verhängen die Spiegel im Hause und besuchen bis zum Samstag mehrere,  wenn möglich sieben verschiedene Kirchen ihrer Umgebung um dort an Christi Grab zu beten, auch wenn dieser Tag in Polen kein gesetzlicher Feiertag ist.

Es ist der Tag der Düsternis an dem es auch kein Trost durch das Sakrament der Kommunion gibt, keine Orgel spielt, die Glocken klingen nicht, das verhüllte Kreuz wird in Prozessionen wie im Trauerzug durch den Ort getragen. Pilgerzüge ziehen zu den großen Wallfahrtsorten und  den kleineren Kalvarienbergen um dort den Kreuzweg zu beten. Viele Gläubige wachen viele Stunden, nicht wenige die ganze Nacht in den Kirchen am erleuchteten und mit Blumen geschmückten, symbolischen Grab Christi und gerade unter denen sind sehr viele junge Leute zu finden.

Natürlich wird nicht überall so streng gefastet an diesem  Wielki Piątek, aber Fleisch, Süsses oder gar Alkohol gibt es nirgends. Der Abend dieses Karfreitags vergeht in den Familien mit dem Färben der Eier, was ausschließlich Frauensache ist. Die Pisanki genannten bunten Ostereier gibt es sowohl einfarbige, dann malowanki genannte Variante, als auch mit kunstvollen Verzierungen versehen, die in aufgetragenes Wachs geritzt werden, die Eier heißen rysowanki. Ihre symbolische sowie Fruchtbarkeit und symbolisierten den Sieg des Lichts und des Frühjahres über Nacht und Winter. Im Christentum symbolisiert das Ei die Auferstehung in der Christus sein Grab verließ wie das Küken das Ei. Ostern in Polen-Segnung der Osterkörbe, Foto: Silar, CC-BY-SA-3.0 Am Ostersamstag werden in den Familien die Osterkörbe gerichtet, mit weißen Leinendeckchen und Weidenkätzchen dekoriert und mit Eiern, geräuchertem Fleisch, Wurst , Salz, Pfeffer, Meerettich und Kuchen bestückt und die Festvorbereitungen laufen auf Hochtouren, nachdem die Hausfrau der Tradition entsprechend am Karfreitag nicht gebacken hatte. Nachmittags werden die fertigen Osterkörbe (Święconka) von der Mutter oder einem älteren Kind zur Kirche getragen, um sie während einer Andacht vom Priester mit Weihwasser segnen zu lassen, eine wegen des immer noch andauernden Fastens schwere Versuchung, die aber in der Gemeinschaft der überfüllten Kirchen leichter zu ertragen ist.

In der Osternacht oder am frühen Morgen beginnen die Auferstehungsandachten. Die Kirche ist stockdunkel und zeigt den Gläubigen eindrucksvoll eine Welt ohne das Licht des Glaubens bis das Osterfeuer und entzündet die Osterkerze daran angesteckt wird, die in einer Prozession durch die Kirche getragen wird und immer mehr Kerzen entzündet. Die Dunkelheit weicht und mit ihr die Düsternis und Trauer, Freudengesänge setzen ein, die Orgel braust auf. Eine Freudenprozession zieht dreimal um die Kirche unter Glockengeläut und mancherorts auch Böllerkrachen.

Vierzig Tage Vorfreude – das Osterfrühstück

Endlich ist das Fasten beendet, die Gläubigen eilen heim zum traditionellen Osterfrühstück. Alle kirchlichen Feste in Polen sind große Familienfeiern, bei denen gemeinsamem Essen und Trinken eine überragende Bedeutung zukommt. Gość w domu, Bóg w domu sagt man – einen Gast im Haus haben, heißt Gott im Haus haben.  Wie immer in Polen ächzt der Tisch unter der Last der traditionellen Gerichte, zwischen denen die gesegneten Speisen eine zentrale Rolle einnehmen.

Was natürlich keinesfalls fehlt auf dem polnischen Ostertisch sind die Eier. Man teilt die gesegneten Eier, ein jeder Tischgenosse nimmt davon und spricht Segenswünsche für alle Anwesenden aus, auch das Osterbrot wird so geteilt, ein Brauch, der dem Oblatenteilen zu Weihnachten entspricht. Es gibt ausschließlich Kaltes zum polnischen Osterfrühstück, denn traditionell darf kein Rauch entstehen.

Da findet man die traditionellen Kuchensorten Babka (Hefegugelhupf), Sernik (Käsekuchen) und Makowiec (Mohnkuchen), das aus Vollkornmehl gebackene, aus Hefe uns Sauerteig bestehende  Paska, sowie die nur an Ostern gebackenen Mazurkas aus Mürbteig, eine große Auswahl an Schinken- Wurst- und Fleischsorten, das Osterbrot mit dem Kreuz, ein gebackenes oder aus Zucker hergestelltes Lamm, Salat aus roten Beeten sowie Meerettich. Etwas besonderes ist die Ostersuppe Żurek Wielkanocny, eine Sauermehlsuppe, die es nur zu Ostern gibt. Ostern in Polen- Żurek Wielkanocny, Foto: MOs810, CC-BY-SA-3.0 Hier das Rezept: Ein Pfund  Kartoffeln in 1,2 l Brühe aus Fleisch und Gemüse kochen. 100 g gewürfelte Zwiebeln andünsten, den in Streifen 200 g geschnittenen geräucherten Schinken und 50 g Jagdwurst zu den fast garen Kartoffeln geben. Roggenmehlsauer und etwa 20 g Mehl  mit einem halben Liter  Sahne verrühren und aufkochen lassen. Mit Majoran und gehackte Petersilie abschmecken und geviertelte hart gekochte Eier hinzufügen. Guten Appetit oder „Smacznego“ wie die Polen sagen.

Śmigus Dyngus – Der nasse Ostermontag

Es ist kalt in Ostróda (Osterode) an diesem Ostermontag. Nur um die null Grad zeigt das Thermometer, wie nicht selten zu Ostern, aber immerhin kämpft sich die Sonne durch die letzten Wolkenschleier, es wird also ein schöner, sonniger Tag werden. Dennoch sollte man sich am Ostermontag lieber auch bei schönem Wetter die Regenjacke überziehen. Hauptsache sie ist wasserdicht, denn Ostermontag ist der Tag mit dem höchsten Wasserverbrauch in Polen, eigentlich wäre eine Öljacke, wie sie beim Segeln getragen wird ganz nützlich.

Juchend und schon etwas zerzaust kommen zwei noch junge Nonnen um die Hausecke auf den Hof gerannt. Jetzt nichts, wie so schnell wie möglich zur Seite springen und in Deckung gehen. Wenn nicht, bekommt man womöglich gleich den ganzen Segen ab. Da kommt auch schon der Verfolger mit wehender Soutane unter der Jacke herangeflogen, wie ein Segelboot vor dem Wind. Schon holt der junge Priester Schwung und wirft den Wasserbeutel gut gezielt hinter den Nonnen her. Es klatscht kurz, der Beutel platzt- Treffer! Die junge, rotwangige Nonne trieft vor Nässe. Die noch trockene Ordensschwester bereitet die Revanche vor und langt mit einer leeren Dose in den vor dem Haus bereit stehenden Wassereimer und setzt nun zur Verfolgung des Priesters an.

Alle drei quietschen vor Vergnügen und werden von einer Gruppe Halbwüchsiger angefeuert, die es nicht lange aushalten und selbst ins Geschehen eingreifen. Längst sind die Fenster der umliegenden Häuser aufgegangen und die Bewohner kommentieren jede Attacke, lachen und feuern die Teilnehmer der Wasserschlacht an.

In Polen geht es am Ostermontag überall so oder so ähnlich zu, nicht nur in kleinen Orten. Jeder muss damit rechnen nass zu werden, lediglich Greise, ältere Priester und Nonnen haben die Chance, respektvoll verschont zu werden, Fremde werden dezent bespritzt, Bekannte und Freunde aber unter Umständen aber auch erbarmungslos patschnass gemacht. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt: Wasserbeutel, Spritzpistolen, Gießkannen, Töpfe mit Schöpfkellen, ja sogar große Wassereimer kommen zum Einsatz. Besonders Kinder und Jugendliche rennen stundenlang patschnass hinter potentiellen Opfern her, bis sie blaugefroren und vor Kälte zitternd wieder zuhause ankommen. „Was ist zu machen,“ zucken sonst durchaus um ihren Nachwuchs besorgte polnische Eltern die Schultern, „das ist Smigus Dyngus !“

Dieses Wassergießen war einst Teil eines alten Brauches, der die Feierlichkeit des Festes in übersprudelnde Lebensfreude wandelt und die ganze Freude über Christi Auferstehung ausdrücken soll. Das Wassergießen ist dazu auch eine alte Sitte der Reinigung und Fruchtbarkeit. Diese spezifisch polnische Variante hat wohl aber mit der Zeit zu tun, als das Christentum nach ins Land kam. Im Jahr 966 wurde der polnische Herrscher Mieszko I. am Ostermontag getauft, auch daran soll der Brauch erinnern, der erstmals schon im Mittelalter erwähnt wurde.