Referenden: Rekordtief bei Wahlbeteiligung in Ermland-Masuren

Kein Andrang vor den Wahllokalen, Foto: B.Jäger-Dabek
Kein Andrang vor den Wahllokalen in Ermland und Masuren, Foto: B.Jäger-Dabek

Es war überhaupt erst das zweite Mal, dass die Wahlberechtigten in Ermland und Masuren zu einem Referendum an die Wahlurnen gerufen wurden. Das bisher einzige Referendum in Polen fand im Jahr 2003 statt, als die Polen über den Beitritt zur EU entschieden. Nun hatte das damalige Referendum sicher eine große Bedeutung und war medial wesentlich präsenter, auch hatte der EU-Beitritt eine weit größere Bedeutung für das Leben eines jeden einzelnen Polens. Das war bei den drei Referenden am 6. September so nicht gegeben, doch waren die Fragen keineswegs bedeutungslos.

Von 7 bis 22 Uhr hatten die Wahlberechtigten auch in Ermland und Masuren genügend Zeit zur Abstimmung zu gehen, doch interessierten sich offenbar nur wenige Wahlberechtigte für die zur Abstimmung stehenden Fragen. Nur 7,8 % der Ermländer und Masuren gingen an die Urnen und damit nur wenige mehr, als im Landesdurchschnitt in Polen, der bei 7,4 % lag. Was die Wahlbeteiligung betraf, war dies das bisherige Rekordtief in ganz Polen.

Die drei Referenden

An diesem Tag der Volksabstimmungen waren gleich drei Referenden zur Abstimmung gestellt, bei denen es um diese Themen ging:

  • Die Änderung des Wahlrechts in ein Mehrheitswahlrecht.
  • Die Frage, ob Polens Parteien weiter wie bisher staatlich finanziert werden sollen.
  • Die Frage, ob die Finanzämter künftig im Zweifel grundsätzlich für den Steuerzahler entscheiden sollen.

Und dies waren die Ergebnisse der Referenden in Ermland und Masuren:

  • Frage 1: dafür waren 1.829.995 Personen, das sind 78,75 % der am Referendum teilnehmenden Wahlberechtigten.
  • Frage 2: dagegen waren 1.923.994 Personen, das sind 82,63 % der am Referendum teilnehmenden Wahlberechtigten.
  • Frage 3: dafür waren 2.194.689 Personen, das sind 94,51 % der am Referendum teilnehmenden Wahlberechtigten

Es ist hier eine bedenkliche Entwicklung im Demokratieverständnis der Polen zu verzeichnen, wenn nicht einmal mehr jeder zehnte Wahlberechtigte an die Urne geht. Politikverdrossenheit hin, Wahlmüdigkeit her – hier geht es um Basisdemokratie, hier kann der Bürger direkt selbst entscheiden, wie er es denn gern hätte. Kein Umweg über zermürbende Koalitionsdiskussionen und andauernde Probleme der Mehrheitsfindung.

Kein Interesse an Wahlrecht und Parteienfinanzierung?

Nun könnte man noch meinen, die Abstimmung über die dritte Frage sei so gut wie überflüssig, denn sie ist inzwischen weitgehend umgesetzt worden. Was aber ist mit den Fragen nach dem Wahlrecht und der Parteienfinanzierung? Interessiert das wirklich niemand, ob es bei einem gleichen Stimmergebnis plötzlich mit einem neuen Wahlrecht eine ganz andere Parlamentszusammensetzung gibt? Und ist es auch egal, wie die Parteien sich finanzieren? Egal, ob es eine Kontrollmöglichkeit bei einer Finanzierung durch den Staatshaushalt gibt – man denke nur an den Parteispendenskandal in Deutschland? Oder will man unkontrollierte Zuwendungen der Wirtschaft mit den entsprechenden Einflüssen auf die Politik freigeben?

Zwar kann man im Umkehrschluss auch meinen, die Polen hätten einfach kein Interesse gehabt, das bestehende Wahlrecht und die Parteienfinanzierung zu ändern. Und sin den Wahllokalen deshalb fern geblieben, doch ist Partizipation noch immer die bessere Wahl den eigenen politischen Willen kundzutun.

Zumindest war die erste Amtshandlung des neuen polnischen Präsidenten Andrzej Duda ein geschickter Schachzug, die von der Oppositionspartei PiS initiierten Referenden nicht mit am 6. September, sondern am Parlamentswahltag am 25. Oktober entscheiden zu lassen. Dann besteht eher die Chance für die Referenden, das nötige Quorum von mehr als 50% der Wahlberechtigten zu erreichen.