Szczytno – Mehr als nur ein Flughafen

Szczytno / Ortelsburg: Schlossruinen und der charakteristische Rathausturm, Foto: ZeoJeden, CC BY-SA 3.0 pl
Szczytno / Ortelsburg: Schlossruinen und der charakteristische Rathausturm, Foto: ZeoJeden, CC BY-SA 3.0 pl

Immer wieder hatte man in den letzten Jahren Szcztyno (Orteslburg) fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem im Bau befindlichen Flughafen in Szymany oder dem CIA-Gefängnis in Stare Kejkuty gehört. Man brauchte einfach einen nahen Ort, der in der Nähe lag, und auf den Landkarten zu finden war. Zu tun hatten aber beide rein gar nichts mit Szcztyno (Ortelsburg). Der Flugplatz bestand bereits als ein Militärflugfeld, als Szymany noch Groß Schiemanen hieß. Von hier startete Görings Luftwaffe zu den Angriffen auf Warschau. Als Stare Kiejkuty, mit dem Militärgelände, auf dem sich das CIA-Gefängnis befindet, noch Alt Keykuth hieß, passierte in den dunklen verschwiegenen Wäldern hinter dem Ortsrand bereits Geheimes. Auf dem Gelände operierten der SD, der Sicherheitsdienst der SS sowie die Abwehr. Und seit 1971 wurde es als Militärgelände vom polnischen Geheimdienst genutzt.

Doch mit Ortelsburg hatte das eigentlich nicht viel zu tun. Nur ließ sich eben in den der waldreichen Region in den tiefen Forsten der Johannisburger Heide immer schon gut alles das verstecken, was andere nicht sehen sollten. Aber das wussten schon die prussischen Galinder als Ureinwohner der Region.

Als Grenzfestung wurde die Ortelfsburg um 1350 vom Deutschen Orden auf der Landzunge zwischen dem Großen und dem Kleinen Haussee (Nordseite) als „festes Haus“ aus Holz und Erde errichtet. Namensgeber war der Großgebietiger und Oberste Spittler sowie Elbinger Komtur Ortulf von Trier. Die Grenzfeste sollte vor den polnischen Masowiern schützen und die Besiedlung und Befestigung eines Teils der „Großen Wildnis“ fördern, nämlich des Gaus der prussischen Galinder. Doch schon 1370 wurde die Burg von den Litauern erobert und zerstört. Der Orden aber brauchte diesen Stützpunkt und errichtete eine steinerne Burg. Immer wieder wurde die Burg von Litauern, Polen und Tataren angegriffen, hatte vor allem im Dreizehnjährigen Krieg von 1454 und 1466 zu leiden und wechselte mehrfach den Besitzer.

Nach der Umwandlung des Ordensstaats in das säkulare Herzogtum Preußen im Jahr 1525 wurde die Burg Sitz des Hauptamts Ortelsburg. Ihre Bedeutung als Grenzfeste verlor die Burg aber, da die benachbarten masowischen Gebiete zu Polen gehörten und auch Preußen unter polnischer Lehnshoheit stand. Die Burg fing bald an zu verfallen, bis Herzog Georg Friedrich um 1580 begann, sie als Jagdschloss umzubauen. Daraufhin siedelten sich Handwerker und Händler mit ihren Familien an, und schon 1581 wurde die Gemeinde Ortelsburg gegründet.

Doch immer wieder wurde die Entwicklung von Ortelsburg gestört, mehrfach brannte es, Seuchen tobten über das Land, 1656 war es die Pest, und noch im gleichen Jahr fielen die Tataren ein. Kaum hatte sich der Ort erholt, fegte 1709-1711 eine verheerende Pestepedemie über das Land. So zählte Ortelsburg nur wenig mehr als 400 Einwohner, als der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. Ortelsburg 1723 das Stadtrecht verlieh.

Dennoch wurde Ortelsburg 1723 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm I. das Stadtrecht verliehen. Spätestens als Ortelsburg Garnisonsstadt wurde, ging es aufwärts mit der jungen Stadt. Die dort nun heimischen „Ortelsburger Jäger“ wurden bald bekannt in Preußen. Die friedliche Periode der Stadtgeschichte endete mit den napoleonischen Kriegen. Auf der Flucht aus Berlin hielt sich das preußische Königspaar Könige Friedrich Wilhelm II. und Königin Luise vom 21. November bis zum 21 Dezember 1806 in Ortelsburg auf, musste dann aber Hals über Kopf weiterfliehen.

Am 31. Dezember 1806 nämlich besetzten die napoleonische Truppen Ortelsburg und plünderten die die Stadt restlos aus. Im Nachgang hatte Ortelsburg obendrein für die Einquartierungskosten von Napoleons Truppen noch bis 1812 aufzukommen. Im Frieden wurde Ortelsburg gemäß der großen Verwaltungsreformen in Preußen 1818 Kreissitz. Doch erst der 1883 erfolgte Eisenbahnanschluss an die Linie Allenstein-Johannisburg brachte einen großen Entwicklungsschub mit sich, war doch der Eisenbahnanschluss Voraussetzung für die Ansiedlung größerer Gewerbe- und Industriebetriebe.

Den nächsten schweren Schlag brachte für Ortelsburg der Erste Weltkrieg mit sich. Die russische Armee marschierte viel früher als erwartet in Ostpreußen ein und zerstörte die Stadt am 30. August fast völlig – rund 500 Häuser waren zerstört. Die Städtepartnerschaften mit Wien und Berlin halfen bei einem raschen Wiederaufbau nach Kriegsende. Im Jahr 1939 lebten 13.523 Menschen in Ortelsburg.

Ein Teil der Mauern und Türme der Westseite der Ortelsburg wurden zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts abgerissen. Die Steine wurden für den Bau einiger Backsteinhäuser verwendet. Zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde der östliche Teil der Burg abgerissen und der Stadtgraben verfüllt.

Im kleinen Rest war das Heimatmuseum untergebracht, nach dem Krieg bis 1948 ein polnisches Regionalmuseum. Nachdem weitere Ausbauversuche an der Baufälligkeit scheiterte, wurden in den Jahren 1990 bis 1992 die Ruinen der restlichen Bauteile gesichert und konserviert. Sie dienen jetzt als malerische Kulissen bei sommerlichen Veranstaltungen. Dieser Teil der Grundmauern ist hinter dem Rathaus gut zu erkennen. Heute hat Szczytno 25.000 Einwohner und ist Sitz einer Polizeihochschule.

Fährt man durch Szczytno, dominiert das 1936-1937 erbaute Rathaus an der ul. Sienkiewicza 1 mit dem großen Uhrenturm. Das „Masurische Heimatmuseum“ ist dort untergebracht und besitzt eine sehenswerte Sammlung zur Volkskunst, Alltagskultur und Tierwelt der Region Masuren. An der ul. Marii Konopnickiej 12 steht noch eine der selten gewordenen masurischen Katen, die „Chata Mazurska“, die besichtigt werden kann.

Der schönste Ausflug von Szczytno aus ist die „Tataren-Route“, eine Wanderroute, die dem Weg folgt, den die Tataren 1656 bei ihrem sagenumrankten Einfall nach Masuren nahmen. Sie führt auf knapp 30 Kilometern von Szczytno am Marksoby-See entlang durch den Wald nach Babięta/Babenten an der Krutynia/Krutinne.

Fest hielt das alte Ortelsburg der Schriftsteller Wolfgang Toeppen, der dort zur Zeit des 1. Weltkriegs Teile seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Als 84-jähriger reist er 1990 noch einmal ins masurische Szczytno um an einem Film über Masuren mitzuwirken, der von Peter Goedeler gedreht wurde. Koeppen hatte dafür die Texte geschrieben, die später in dem gleichnamigen Buch „Es war einmal in Masuren“ herausgebracht wurden.