Olecko – Die Stadt mit dem größten Marktplatz

Olecko, die Stadt mit dem Riesen-Marktplatz, Foto: J.Kunicki.Olecko, CC BY-SA 3.0
Olecko, die Stadt mit dem Riesen-Marktplatz, Foto: J.Kunicki.Olecko, CC BY-SA 3.0

 

War er nun der größte Marktplatz in Ostpreußen? Im Deutschen Reich? Oder gar in ganz Europa?

Noch heute sorgt der im Verhältnis zur Ortsgröße gigantische Marktplatz für Erstaunen. Eins ist klar: Marggrabowa, das nach der Volksabstimmung von 1920 im Jahr 1928 in Treuburg umbenannt wurde und nach seit Kriegsende Olecko heißt, war einst ein durchaus bedeutendes Handelszentrum an der Grenze zwischen dem Herzogtum Preußen, der polnischen Krone und dem Großfürstentum Litauen.

Auf einer Halbinsel, zwischen dem Ausfluss der Lega und dem Oletzkoer See befand sich eine 1559 urkundlich erwähnte Jagdhütte. Dort gründete Herzog Albrecht 1560 die Stadt mit dem Namen Marggrabowa, die Markgrafenstadt, und dort wurde 1619 das Schloss Oletzko erbaut. Die am Reißbrett entworfene Stadt wurde rasch errichtet. Das Schicksal aber meinte es nicht gut mit der jungen Stadt, denn sechs Brände und der Tatareneinfall verwüsteten immer wieder Teile der Stadt. Im Jahr 1709 starb dann der größte Teil der Einwohner bei der Pestepidemie. Nach alten Aufzeichnungen soll es 1100 Tote und nur 98 Überlebende in Marggrabowa gegeben haben. Im folgenden Jahrhundert erholte sich die Stadt und begann zu einem lebendigen Marktort aufzublühen. Wo sich heute der sage und schreibe sieben Hektar große Marktplatz befindet, war bis 1822 der Friedhof an der Pfarrkirche angelegt, der 1822 verlegt wurde. Nahe der Kirche steht das Rathaus aus dem Jahr 1818.

Wie groß ist der Marktplatz in Olecko wirklich?

Die Quellen geben über die Jahrhunderte verschiedene, sich teilweise gar wiedersprechende Platzgrößen an. In der Gründungsurkunde der Stadt hieß es, dass der Friedhof zwei Morgen und der Marktplatz zwölf Morgen groß sein sollte.

Im ältesten Historienbuch von Pfarrer Caspar Hennenberger aus dem Jahre 1595 liest man, dass der Markt achteinhalb Morgen groß sei, an anderer Stelle erfahren wir, dass seine Fläche 5,5 Hektar groß sei. In der Monographie “Olecko. Aus der Geschichte der Stadt und des Landkreises”, heißt es wiederum, dass die Stadt im großen Stil geplant wurde und für sie ein zehn Morgen großer Markt mit den Maßen von 255x215x228x255 Metern vorgesehen. Im “Ostpreußischen Städtehandbuch” von 1926 wurde definiert, dass der Marktplatz von Olecko sieben Hektar groß ist. Neuere Messungen haben dieses Maß bestätigt. Auch gilt als sicher, dass er damit der größte Marktplatz Deutschlands war. Ob er auch der größte Marktplatz Europas war? Schwer zu sagen, über die oft auch riesigen Märkte noch weiter im Osten, vor allem in Russland sind bis dato keine zuverlässigen Aussagen bekannt.

Marggrabowa, Marktplatz mit Kirchberg, Foto: Historische Ansichtskarte vor 1928
Marggrabowa, Marktplatz mit Kirchberg, Foto: Historische Ansichtskarte vor 1928

 

Sieben Hektar – Ein Riesenplatz voller Dung

Ob es nun beim Wochenmarkt war, oder bei den jeweils viermal im Jahr stattfindenden Vieh- und Pferdemärkten: Neben den feilgebotenen Tieren kamen auch die Bauern, Händler und Interessenten mit Pferd und Wagen – da fiel jede Menge Mist an. So viel, dass die Reinigung des Marktplatzes zum Problem wurde. Die Stadt reagierte auf das schmierige und stinkende Problem pragmatisch. Mist und Kuhfladen waren begehrte Dünge- und Brennstoffe dachten sich die Stadtverantwortlichen schon im 19. Jahrhundert und fanden eine einträgliche Lösung: Man machte den Mist zu Geld.

Am 27. März 1825 beschloss der Rat der Stadt, dass “sobald wie möglich, gern auch schon ab morgen” die Reinigung des Marktplatzes vom Dung zu pachten sei. Drei Interessenten gab es: Den Kaufmann Gramatzky, den Bierbrauer Mehl sowie den Ratsherrn Ottzenn, der die Ausschreibung gewann. Er zahlte für die Konzession 4 Taler und 4 Silbergroschen. Doch war es wohl nur für die Stadt ein einträgliches Geschäft, in den Jahren 1825-1842 finden sich in den städtischen Akten nach dem Ratsherrn Ottzen noch zwölf weitere Pächter.

Mehr Platz oder mehr Park- Die Metamorphose zum Stadtpark

Zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts begann man, in diesem riesigen Marktplatz neben der Hauptfunktion auch das Zentrum des Handels und somit auch von städtisch-bürgerlichem Empfinden mitden entsprechenden ästhetischen Werte zu sehen. Die sich dahingehend verändernde Gesellschaft manifestiert sich in einem Stadtratsbeschluss zur Verschönerung der Stadt im Jahre 1841. Ziel des Beschlusses war es, die natürlichen Werte der Landschaft sowie den Kirchhügel und die Umgebung repräsentativ zur Geltung zu bringen. Viele neue Bäume und Ziersträucher wurden gepflanzt, Spazierwege wurden angelegt, Bänke aufgestellt. Ab 1866 ließen Gaslaternen den Marktplatz bei Dunkelheit erstrahlen. So wurde ein praktikabler Kompromiss im Erscheinungsbild des Marktplatzes gefunden, der seine Funktionalität kaum einschränkte. Bis 1945 diente er weiterhin als großer Marktplatz. Längst umstanden den Markt zu jener Zeit Wohn- und Geschäftshäuser, Hotels, Restaurants und einige öffentliche Einrichtungen.