Żywkowo, das Storchendorf an der russischen Grenze

Bruterfolg der Störche in Zywkowo, Ermland-Masuren, Foto: B.Jäger-Dabek

Keine fünfhundert Meter vom Ortsrand zur russischen Grenze, hier ist die Welt zu Ende, scheint die Abgeschiedenheit unendlich und die nächste menschliche Ansiedlung Lichtjahre fern – koniec świata eben. Dabei ist die russische Grenzstadt Bagrationowsk/Preußisch Eylau nur wenige Kilometer entfernt, genau wie die polnische Kreisstadt Gorowo Ilaweckie/Landsberg.

Nur das Rauschen des Winds in Bäumen und Büschen ist zu hören und das Klappern der Störche. Friedliche Abgeschiedenheit und nichts als Weite, dort wo das Ermland an der polnisch-russischen Grenze endet. Menschen? Die sind hier rar, denn im Storchendorf Zywkowo, dem früheren Schewecken, kommen auf einen menschlichen Einwohner mindestens vier Störche – keine 40 Einwohner, aber bis zu 160 Störche zählt man hier im Sommer. Neun Häuser sind an der Dorfstraße aufgereiht, mehr als zehn Nester haben die Untermieter zeitweilig auf manchem Gehöft angelegt. Durchschnittlich brüten in Żywkowo in jedem Sommer mindestens 40 Storchenpaare Kein Zweifel, hier regiert Kalif Storch!

Storchendorf Zywkowo, Ermland-Masuren, Foto: B.Jäger-Dabek

In Żywkowo sichern nicht die Menschen die Existenz der Störche, es ist umgekehrt, denn diese Menge an Störchen sichert mittlerweile das wirtschaftliche Überleben der meisten Einwohner des Storchendorfs Żywkowo. Wo man mit Landwirtschaft allein das Überleben der Familie nicht mehr sichern kann, sind die Tausende Touristen, die das Storchendorf jährlich besuchen, eine echte Hilfe. Inzwischen helfen Vogelschutzorgansisationen den Menschen in Żywkowo , ihr Dorf möglichst storchenfreundlich zu halten, da wird in jedem Winter an der Sicherung der nach vielen Nestbaujahren bis zu 500 Kilogramm scheren Nestern, baut neue Nistplattformen an geeigneten Plätzen, legt Stromleitungen um und isoliert sie.

Man hat sich auf den Ansturm von Störchen und Besuchern eingerichtet in Żywkowo, die ersten Betriebe haben auf Agrotourismus umgestellt, wie die polnische Variante vom Urlaub auf dem Bauernhof heißt.  Ein anderer Bauer kam auf die Idee mit dem Aussichtsturm. Nun haben immer mehr Menschen einen direkten Blick in die Kinderstube der Störche. Auch berichten im Sommer inzwischen bald jede Woche Kamerateams aus dem kleinen Żywkowo live direkt aus dem Storchennest. Und so kommt ein bisschen weite Welt auch ins abgelegene Żywkowo.

Die Einwohner von Żywkowo erlebten bei ihrer erzwungenen Ankunft im Rahmen der Acja Wisła 1947 gerade die Störche als einzigen Trost. Sie selbst waren Ukrainer und wurden in Żywkowo zwangsangesiedelt. So begleitete den Abschied der einstigen Bewohner von Schewecken und den Einzug der neuen Bevölkerung ins nun polnische Żywkowo das Klappern der Störche, die sich von Anfang an nicht um die neuen Grenzen scherten, die für Menschen unüberwindlich waren.

Storchenkirche Lwowiec, Ermland-Masuren, Foto: S.Czacharowski, GFDL

Ein weiteres sehenswertes Storchendorf im Ermland ist auch Lwowiec/Löwenstein im Kreis Bartoszyce/Bartenstein. Dort haben sich die Störche die Kirche als bevorzugten Nistplatz auserkoren, bis zu zehn Paare beziehen jährlich ihre Nester auf der 1372-1374 erbauten „Storchenkirche“. Lwowiec gehört zur ermländisch-masurischen Storchenroute (Warmińsko – Mazurski Szlak Bociani, meist kurz Bociany Szlak genannt), deren Startpunkt in Toprzyny ist und dann über Żywkowo nach Lejdy und Styligi führt. Weiter geht es über Szczurkowo und Ostre Bardo, dann durch Sępopol /Schippenbeil nach Romankowo und Lwowiec. Über die Storchendörfer Krielikejmy, Siligniny, Skandawa und Momajny wird schließlich nach rund 100 Kilometern mit Duje das letzte Storchendorf der Route erreicht.