Polnisch-russische Grenze: Das Embargo zeigt Wirkung

Polen: Günstige Preis und volle Regale

Russisch-polnische Grenze bei Bagrationowsk/Bezledy, Foto: Brigitte Jäger-Dabek

Man könne ja Patriot sein, aber besser ein satter Patriot heißt es derzeit an den polnisch-russischen Grenzübergängen in Masuren, schreibt die polnische Regionalzeitung Gazeta Olsztynska über die Russen aus dem Kaliningrader Gebiet (Königsberger Gebiet), die immer öfter zum Einkaufen nach Polen kommen. Das ist auch kein Wunder, denn in Polen ist ohnehin vor allem Lebensmittel deutlich billiger als in der russischen Exklave. Dazu sind in den Polnischen Läden und Supermärkten die Regale voll. Die Eindrücke, dass die Kaliningrader nicht nur öfter kommen, sondern teilweise anfangen zu regelrechten Hamstertouren einreisen, können nun erstmals auch durch Zahlen belegt werden.

Im Juli 2014 überquerten erstmals mehr Russen als Polen die Grenze. Im ersten Halbjahr 2014 haben 1,63 Millionen Polen und 1,62 Millionen Russen die Grenze überquert. Nach Daten des polnischen Zolls steigen die Zahlen, denn allein im Juli 614.000 überquerten Personen die Grenze, von denen 314.000 Russen sind. Noch zu Beginn dieses Jahres stellten Russen nur ein Viertel aller Reisenden. Die Zahl der Russen steigt, weil Lebensmittelembargo Putins gegen die EU beginnt sich auf den Kaliningrader Lebensmittelmarkt auszuwirken wie auch die EU-Sanktionen. Die drastisch gesunkene Lebensmitteleinfuhr nach Russland wirkt sich gerade auf die Lebensmittelversorgung der Kaliningrader aus.

Derzeit sind dort Milch- und Milchprodukte aus Polen vom Embargo genauso betroffen, wie Äpfel. Ähnlich fehlen nun die Fischimporte aus Norwegen sowie die Käseeinfuhren aus Litauen. Immer mehr Kaliningrader haben nun begonnen, zu regelrechten Hamstertouren nach Ermland und Masuren sowie Danzig aufzubrechen. Wo früher eine Packung gekauft wurde, werden heute alle Lebensmittel kiloweise aus den Läden geschleppt. War es bisher noch ein mit einem Lächeln begleiteter Spruch, dass die Kaliningrader wenn sie könnten, die Waren gleich tonnenweise aus den Läden schleppen, ist das nun von der Wahrheit nicht mehr weit entfernt. Kürzlich entdeckte der russische Zoll einen Bus, der buchstäblich Tonnen von Speck geladen hatte.

Im vergangenen Jahr haben die russischen Nachbarn in Polen allein Waren im Wert von 95 Millionen Złoty ausgeführt, für die Sie an der Grenze die Mehwertsteuerrückzahlung beantragen konnten. In diesem Jahr sind es derzeit schon Waren für 92 Millionen Złoty, der Jahreswarenumschlag dürfte also 2014 ein weit höheres Volumen zeigen. Da aber nicht für alle Waren von den Reisenden eine Mehrwertsteuerrückerstattung beantragt wird, liegt das tatsächliche Handelsvolumen im polnisch-russischen Kleinen Grenzverkehr bei geschätzt mehr als 150 Millionen Złoty.

Wie fragil die Stimmungslage im polnisch-russischen Grenzgebiet jedoch ist und wie besorgt die Menschen dort sind, zeigt dies: Am 3. September machten wilde Gerüchte die Runde. Die Grenze am Übergang Bezledy-Bagrationowsk sei blockiert, lauteten die einen Gerüchte, die Wartezeit auf russischer Seite betrügen für die Einreise nach Polen mehr als sechs Stunden. Die Russen sagten die Polen sind schuld, die Polen schoben die Schuld den Russen zu. Schnell wurden die wildesten politischen Spekulationen laut. Man wähnte sich schon zurück in der Zeit der „Patelnia“ vor dem EU-Beitritt Polens und der tagelangen Wartezeiten, für diejenigen, die keine Gehaltsbeihilfen zahlen konnten.

Die Erklärung für bestätigte fünfstündige Wartezeiten und eine Autoschlange für die Einreise nach Polen, die gut dreihundert Meter lang war und bis fast zur Stadt Bagrationowsk (Preu0isch Eylau) richte allerdings war dann nachvollziehbar und wurde von den polnischen Grenzschützern bestätigt. Wie geplant hatten die Ausbauarbeiten am Grenzübergang begonnen. Dazu war eine geänderte Verkehrsführung nötig und die Unterbringung der Kontroll- und Abfertigungsstellen mit eingeschränktem Platzangebot in Containern. Der polnische Grenzschutzdienst bestätigte, dies seien wohl Anfangsprobleme gewesen, inzwischen habe sich die Lage normalisiert.

Doch zeigt sich hier besonders auf polnischer Seite die angespannte Lage. Die Kaliningrader äußern Ihre zumindest unterschwellig vorhandene Besorgnis durch vermehrte Hamstertouren. Wie ein Gewährsmann aus dem Kaliningrader Gebiet mitteilte, habe eine Kapitalflucht privater Vermögen auch aus der Region Kaliningrad eingesetzt.