Polen ist ein katholisches Land, in dem das Kirchenjahr noch immer eine große Bedeutung hat. Daher ist das Weihnachtsfest bis heute von alten, christlichen Traditionen bestimmt. Noch ist es wichtiger gemeinsam bei Tisch zu sitzen, als teure Geschenke auszutauschen. Schon Wochen vorher freut sich die ganze Familie auf das Weihnachtsessen in Polen, da wird geplant, eingekauft, gekocht, gebacken und gebraten.
Heute ist nicht nur das Ermland katholisch wie seit eh und je, sondern auch Masuren großenteils. Obwohl: So groß waren die Unterschiede nicht, der größte war immer, dass in katholischen Familien der Heilige Abend noch zur strengen Fastenzeit im Advent gehörte. Wer wie ich eine katholische ermländische Großmutter hatte weiß, dass die Bräuche zwischen deutschsprachigen und polnischsprachigen Ermländern nicht groß waren.
In der heute überwiegend katholisch geprägten Woiwodschaft Ermland und Masuren haben sich Sitten und Gebräuche weiter angenähert.
Ermländische und masurische Bräuche
Traditionell wurde im Ermland – weil Heiligabend noch gefastet wurde – erst am Erstfeiertag morgens beschert.
Auch gab es im Ermland ein ganz spezielles, Wiehnachtsarfte oder Hilljerichtsarfte genanntes Weihnachtsgericht: Gelbe Erbsen mit gebratenem Bauch (Spirgel), Speck oder auch mit Wurst. Selbst das Vieh und Federvieh wurde mit Erbsen oder Erbsstroh gefüttert. Segen sollte diese Speise Haus, Mensch und Tier geben und daran erinnern, dass dieser Tag einst in Rom der Jahresanfang war, eine Tradition die in deutschen Landen bis 1310 galt. Der Begriff „Wiehnachtsarfte“ überlebte in dem Spruch: „He ward de Wiehnachtsarfte ook nich mehr eete“ sagte man, wenn jemand krank war und nicht mehr lange zu leben hatte.
Weit verbreitet war im katholischen Ermland der Sternsingerbrauch. Voran ging ein Sternsinger, der eine Stange mit dem beleuchteten Stern aus Papier trug, drei Begleiter stellten die Heiligen Drei Könige dar. Sie waren in weiße Hemden gekleidet und trugen goldene Kronen. Einer von ihnen hatte das Gesicht schwarz gefärbt und stellte den König aus dem Mohrenland dar. Je nach Region spielte einer der Sternsinger Brummbass oder Brummtopf.
Bevorzugte Weihnachtsessen am Heiligen Abend waren – als die Region noch Ostpreußen hieß – Kartoffelsalat mit Würstchen oder die Weihnachtsgans oder der traditionelle Weihnachtskarpfen.
Der Weihnachtsabend in Polen
Am Heiligabend wird gefastet bis gegen 17 Uhr der erste Stern aufgeht, der den Beginn des Weihnachtsfestes signalisiert. Nun wird eine große bunt bedruckte eckige Oblate gebrochen und unter die Familienmitglieder verteilt zum Zeichen, dass die Familien das Leben miteinander in Liebe teilen will, man wünscht sich alles Gute, Gesundheit und frohe Weihnachten.
Die Kerzen des geschmückten Weihnachtsbaumes werden angezündet und die Familien setzen sich an den festlich gedeckten Tisch auf dem traditionell ein Gedeck mehr aufgelegt ist um einen unerwarteten Gast bewirten zu können. In Erinnerung an die Herbergssuche der Heiligen Familie soll kein anklopfender Gast draußen vor der Tür bleiben.
Die Kinder warten gespannt darauf, den Teller anheben zu können und nachzuschauen, ob ein Geldstück darunter liegt. Unter dem Tisch liegt nach altem Brauch ein kleiner Ballen Stroh, aus dem sich jeder Anwesende einen Halm zieht, wer den längsten hat, der wird auch am längsten leben. Eigentlich soll dieser Brauch aber an Jesu Geburt auf Stroh erinnern.
Nach altem Brauchtum stehen als Erinnerung an die zwölf Apostel zwölf verschiedene Gerichte auf dem Tisch, alle fleischlos, denn die Fastenzeit endet erst um Mitternacht, weshalb auch auf den geliebten Wodka zur Verdauung verzichtet wird.
Die üppig gedeckten Tische biegen sich zu diesem Weihnachtsmahl in polnischen Familien. Süßes gehört zur polnischen Weihnachtstafel, besonders Mohnkuchen ist genauso unverzichtbar wie Karpfen in Biersauce, auch Borschtsch, Piroggen, Hering in Öl, Bratfisch und Fisch in Aspik gehören ebenso auf die Weihnachtstafel wie Krautgerichte, und polnischer Gemüsesalat.
Die polnische Heilige Nacht
Nach dem Essen ist es dann endlich so weit, strahlende Kinderaugen, glühende Wangen, die Bescherung naht. Aber nicht der Weihnachtsmann kommt in Polen, sondern der Sternenmann, begleitet von den Sternenjungen. Wie bei uns der Weihnachtsmann prüft in Polen der Sternenmann die Kinder. Haben sie ihren Katechismus gelernt? Waren sie brav? Belohnt werden sie mit Geschenken und Leckereien.
Es wird viel gesungen während der wigilia, der heiligen Nacht in Polen, die polnischen Weihnachtslieder koledy gehören zu den schönsten der Welt. In die Kirche gehen die Familien zur Mitternachtsmesse pasterka, was Hirtenwache bedeutet. Schon der Kirchgang durch die oft sternklare, eiskalte Winternacht über knirschenden Schnee, der feierliche Glockenklang und die von weitem sichtbare festlich erleuchtete Kirche sind ein besonderes Erlebnis nicht nur für die kleinen Familienmitglieder.
Am ersten Weihnachtstag bleibt man zuhause. Traditionell verbringt man den Tag mit der Familie und nur in den Tagen zuvor bereits gekochte Speisen werden verzehrt. Am zweiten Feiertag, dem Stefanstag werden nach alter Sitte Verwandtenbesuche gemacht, noch einmal wird aufgefahren, was die Speisekammer hergibt.
Den immer wieder gern gesehenen ARD-Film von Wolfgang Wegner über Weihnachten in Masuren mit meinen Freunden August und Helga Roszig finden Sie hier: