Olsztyn, das alte Allenstein ist Hauptstadt der Woiwodschaft Ermland und Masuren im Nordosten Polens und entwickelt sich in atemberaubendem Tempo. So mancher Tourist reibt sich die Augen, wenn er Olsztyn nach Jahren wiedersieht, besonders die alten Allensteiner trauen ihren Sinnen kaum, wenn sie sich davon überzeugen können, was aus der einstmals braven Vorkriegs-Beamtenstadt Allenstein mit ihren bei Kriegsendenicht einmal 50.000 Einwohnern geworden ist. Riesige Neubauviertel umgrenzen fast die ganze Stadt, an der Peripherie ist Olsztyn fast explodiert. Kleine, vor lauter Hochhäusern wie in einer kleinen Mulde versteckte Siedlungshäuser markieren den einstigen Stadtrand. Nach dem Krieg wurde aus Allenstein Olsztyn, die bis heute einzige ehemals ostpreußische Stadt, die wirkliches Wachstum aufweist. Olsztyn hat heute 175.482 Einwohner und wächst und wächst…
Olsztyn macht Spaß
Kein Zweifel, diese Stadt boomt, nicht in der Art eines wachgeküssten Prinzen, mehr schon explosionsartig. Die Trabantenstädte schlucken umliegende Dörfer, die Stadt zieht Menschen an, hier gibt es Arbeitsplätze. Die Reifenfabrik Stomil wurde von Michelin übernommen und ist der einzige große industrielle Arbeitgeber, der den Sprung in die Marktwirtschaft überstanden hat und sich inzwischen zur größten Reifenfabrik gemausert hat. Allerdings ist dies der einzige große Arbeitgeber der ganzen Region, sonst findet man nur mittelständische Produzenten, handwerklich orientiert oder im Bereich der Lebensmittelverarbeitung und immer mehr Dienstleistungsbetriebe.
Im Jahr 1999 wurden die bestehenden drei Hochschulen der Stadt zur ermländisch-masurischen Universität vereinigt. 2.700 Arbeitsplätze sind dabei entstanden, inzwischen sind hier über 43.000
Studenten eingeschrieben. Die hohe Studentenzahl verstärkt den Eindruck noch, dass Olsztyn eine junge Stadt ist. Viele Gebäude erscheinen auch an den Altstadträndern im frischen Glanz, in den eben renovierten Straßenzeilen halten immer mehr schicke Geschäfte Einzug, polierte Granitsäulen, Marmortreppen, blank poliertes Messing, glänzender Edelstahl allenthalben, verbunden mit dem hochgestylten Ambiente von Hochwertparfümerien und Designerboutiquen. Aber auch das kulturelle Angebot kann sich sehen lassen. Sommerfestivals aller möglichen Sparten, von Theater bis zu verschiedenen Musikrichtungen, Kunstworkshops, Ausstellungen, spezielles Sommertheater.
Stadtgeschichte von Allenstein (Olsztyn)
Allenstein, das 1348 erstmals urkundlich erwähnt wird, bekam 1353 vom Domkapitel Frauenburg die Handfeste verliehen. Bald wurde mit dem Bau des Schlosses begonnen, das bis heute das Altstadtbild beherrscht. Dort residierte bis 1772 der Kapiteladministrator, der höchste Beamte des Fromborker/Frauenburger Domkapitels. Von ihrer Gründung an war die Stadt an den Kämpfen mit den noch heidnischen Litauern beteiligt, aber auch zivile Katastrophen trafen die Neugründung. Schon 1400 zerstörte der erste Großbrand fast die ganze Stadt, drei weitere Feuersbrünste folgten 1420, 1458 und 1622. Bekannt wurde das Schloss durch Allensteins berühmtesten Dompropst Nikolaus Kopernikus, der von 1516 bis 1519 und 1521 sowie 1524 hier als Administrator wirkte. Der Astronom war ganz nebenbei auch ein fähiger Kriegsherr, der 1521 die Stadt so gut gerüstet hatte, dass der letzte Ordenshochmeister und spätere erste preußische Herzog Albrecht von Brandenburg sie nicht angriff.
Von Anfang an hatte das Bistum Ermland, zu dem Allenstein gehörte, im Ordensstaat eine Sonderstellung mit vielen Freiheiten. Mit dem zweiten Thorner Frieden von 1466 wurde das Ermland autonomes Gebiet der polnischen Krone und blieb auch nach 1525 katholisch, als der Rest des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum Preußen umgewandelt wurde und die Reformation einführte.
Nach der ersten Teilung Polens 1772 kam Allenstein zu Preußen und wuchs, nachdem es 1872 Eisenbahnknotenpunkt geworden war, zu einer Beamten- und Garnisonsstadt heran, die 1905 Bezirkshauptstadt wurde. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Allenstein vom 28.–29. August 1914 von russischen Truppen besetzt, über diese Zeit berichtet Alexander Solschenyzin in seinem Roman „August 1914“. Im Sommer 1920 war die Stadt Hauptquartier der „Interalliierten Kommission“ des Völkerbundes, die hier die im Versailler Vertrag angeordnete Volksabstimmung vom 1.7.1920 überwachte, in der die Bevölkerung Südostpreußens zwischen der Zugehörigkeit zu Polen oder Deutschland wählen sollte und sich zu 97,8 % für einen Verbleib bei Deutschland entschied.
Am 22.Januar 1945 wurde die Stadt von der Roten Armee fast unzerstört eingenommen, worüber Lew Kopelew in „Aufbewahren für alle Zeit“ schreibt. Erst im März des Jahres wurde die Stadt von außer Kontrolle geratenen Rotarmisten in Brand gesetzt, wie die ersten zu jener Zeit in die Stadt gekommenen polnischen Eisenbahner bezeugten. Am 23.Mai 1945 übernahm die polnische Verwaltung die nun zu 40 % zerstörte Stadt von der Roten Armee.