Jelmun Dwor oder der Traum vom Landleben in Masuren

Jelmun Dwor, Foto: Brigitte Jäger-Dabek

Von der stark befahrenen Straße S16 von Olsztyn/Allenstein nach Mragowo/Sensburg entfernt, in Sorkwity/Sorkwitten abbiegen, und zwei Minuten später ist man in der masurischen Abgeschiedenheit gelandet.  Nur wenige Kilometer von der Magistrale durch Masuren herrscht Ruhe, ein paar verstreute Bauernhöfe, Störche, dichte Wälder, ein verträumtes Dorf, dann rechts ein See und links malerisch auf einer Anhöhe ein prächtig restauriertes Gutshaus. Eine Szenerie wie aus der Zeit gefallen, voll unendlichem Frieden.

Bald duftet der frische Cappuccino auf dem Tisch der Bibliothek, frische eigene Himbeeren mit Schlagsahne locken als unbeschreiblich leckere süße Verführung. Wie jedes Mal, wenn ich bei ,der Hausherrin Barbara Trzeciak zu Besuch bin, hält das Gutshaus und das Gutsgelände viele neue Überraschungen bereit. Dazu ist neueste Technik stimmig zwischen die alten Einrichtungsgegenstände integriert. In der Küche fügt sich Technik mit alten Einrichtungsgegenständen und fügt sich souverän zu einer mit leichter Hand arrangierten harmonischen Gesamtkomposition. Das nun fertig restaurierte Gutshaus trägt bei aller Stilsicherheit des Wiederaufbaus und der Einrichtung eine gewisse luftige Leichtigkeit, die dem Landsitz das „savoir vivre“ und die Lebensart der Besitzerin vermittelt.

Lebensart, ein enormes Wissen um alte Gutshäuser sowie die Besessenheit von der Vision des Wiederaufbaus einer Ruine machten für die Danziger Hochschuldozentin Barbara Trzeciak  den Lebenstraum vom Leben im Gutshaus auf dem Land war.

Denn es ist nicht allein die besondere Atmosphäre der bequemen Sitzgruppe in der eleganten Bibliothek, die ein Treffen mit Kaffeestunde im Dworek Jelmun (Allmoyen) so besonders macht, es ist Barbara Trzeciak selbst, die den Raum mit ihrer Präsenz und Begeisterung zum Strahlen bringt.

Schon lange, bevor sich die Chance ergab, Jelmun zu kaufen, ist Barbara Trzeciak über die Flohmärkte der Region gestreift und hat Einrichtungsdetails von Türbeschlägen bis hin zu Ofenkacheln gesammelt. So kommt es, dass heute in ihrem Dworek  jedes kleine Einrichtungsdetail passt. Obwohl lange geplant und in ihren Träumen schon bis ins Detail visualisiert betrat sie als frisch gebackene Gutsherrin Neuland, als sie begann das Gutshaus zu rekonstruieren.

Barbara Trzeciak, Jelmun Dwor, Foto: Brigitte Jäger-Dabek

Dabei verrät das herrlich restaurierte malerisch auf der Anhöhe über dem verträumten See gelegene Herrenhaus heute nicht mehr, in welchem eher einer Ruine gleichen Zustand seine jetzige Besitzerin es übernommen hat.

„Ich habe immer gesehen, wie es einmal fertig aussehen wird, nicht das was ist. Wenn man das nicht kann, fängt man so etwas gar nicht erst an“, erklärt sie und zeigt Fotos vom Originalzustand und dem Fortschritt der Bauarbeiten. Das sei ein ausgesprochenes Abenteuer gewesen. Täglich hebe es neue Überraschungen gegeben. Dazu hätten weder sie selbst, noch die Handwerker gewusst, wie man mit passenden Werkstoffen und Techniken mit der alten Bausubstanz umgeht. So sei das ein lange währender Prozess von Versuch und Irrtum gewesen und ein allmähliches Herantasten an behutsame Verfahren, um alte mit neuen Werkstoffen zu verbinden.

Wie kommt eine Danziger Universitätsdozentin und Sachbuchautorin auf die Idee, ein solch marodes Gutshaus zu kaufen und zu sanieren? Auf die Beantwortung dieser Frage  holt sie weit aus. „Viel hat das mit der polnischen Geschichte und unseren kulturellen Prägungen zu tun,“ erklärt sie. „Die polnische Gesellschaft ist ja in ihren Lebensträumen und Wertvorstellungen nicht wie die deutsche vom Bürgertum und bürgerlichen Idealen geprägt, sondern vom niederen polnischen Landadel, der Szlachta.  Der habe nämlich in Polen die staatstragende Schicht gestellt und zeitweise bis zu fünfzehn Prozent der Bevölkerung gestellt, das sei fünfmal mehr, als im übrigen Europa. „Daher ist das polnische Leben bis heute von den Traditionen des Landadels geprägt, dies ist ein Kern unser polnischen Lebensart,“ fügt die promovierte Soziologin Barbara Trzeciak an.

Daher ist für viele Polen der „Dworek“,  das traditionelle Gutshaus des niederen polnischen Landadels Inbegriff von Geborgenheit, Zugehörigkeit und kultureller Identität. Und so träumte auch Barbara Trzeciak von Kindheit an den Traum vom Leben im Dworek. Sie arbeitete seit der politischen Wende 1989 systematisch darauf hin, verfolgte amtliche Privatisierungsanzeigen, Sie las unzählige Versteigerungsankündigungen, bis sie die Ausschreibung für Jelmun/Allmoyen fand. Sie überprüfte die Offerte auf Herz und Nieren, zog einen Architekten zu Rate, kalkulierte alles mehrmals durch und legte nach intensiven Beratungen mit Familie und Architekt ihr Gebotslimit fest.

Dann wurde es spannend. „Ich habe mir mehrere Privatisierungsverfahren genau angesehen und mir eine Verhandlungstaktik ausgetüftelt. Und ich habe natürlich der Vorteil meiner beruflichen Kenntnisse genutzt ich jeden Vorteil genutzt, denn  mein Spezialgebiet ist die Verhandlungsführung und Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Das hört sich sehr speziell an, ist aber prinzipiell auf jede Art von Verhandlung anwendbar“, meint sie schmunzelnd. Wie dem auch sei, genutzt hat es, denn sie erhielt den Zuschlag und blieb dabei innerhalb ihres Finanzrahmens. So hatte Jelmun genau wie viele andere Güter und Herrenhäuser nach 1989 auf dem Weg des einer Versteigerung ähnelnden Przetarg-Verfahrens dn Besitzer gewechselt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der südliche Teil Ostpreußens polnisch. Die den LPGs in der DDR ähnelnden polnischen Staatsgüter PGR übernahmen die Güter mitsamt allen Ländereien, Vorwerken, Gewerbebetrieben und den Immobilien. Viele Gutshäuser wurden als Verwaltungssitze der PGR oder für kommunale Behörden genutzt, wurden Kindertagesstätten, Schulen, Ferienheime oder Wohnhäuser.

Jelmun Dwor, Foto: Brigitte Jäger-Dabek

Kurz nach der politischen Wende 1989 gingen sie in die polnische Version der Treuhandgesellschaft über, die in Polen Agentur für den landwirtschaftlichen Besitz des Staatsschatzes hieß,  die nun die Privatisierung in Gang bringen sollten. Das Privatisierungsverfahren sah jeweils eine öffentliche Ausschreibung vor, der Zuschlag wird bei einer Versteigerung erteilt.

Das Gutshaus von Jelmun/Allmoyen wurde  in der Hälfte des 19. Jahrhunderts erbaut. Die Restaurierung des verfallenen Hauses wurde mehr zum Wiederaufbau. Für Barbara Trzeciak wurde die Bauphase zu einer spannenden, abenteuerlichen Entdeckungsreise mit vielen Überraschungen. Dabei drang sie tief in die Geschichte des Hauses und der Region ein und eignete sich ein breites Wissen über die Kultur des Gutslebens in deutscher Zeit an. Das Ergebnis lässt sich sehen und ist eine beeindruckende Verbindung von deutscher Geschichte und polnischer Landadels-Kultur, die eine fast heitere Leichtigkeit ausstrahlt. Nachdem das Gutshaus nun „fertig“ ist, geht Barbara Trzeciak nun an die Wiederherstellung der Außenanlagen nach alten Plänen, stellte alte Sichtachsen wieder her, restauriert Nebengebäude und hat die alten Obstspaliere und Himberalleen wieder angelegt.

Barbara Trzeciak, die neue Herrin von Allmoyen, ist nicht allein mit ihrem Traum vom Landleben. Die nach dem Krieg geborene Generation in Polen setzt sich unbefangen mit Geschichte und Kultur der ehemals deutschen Region Ermland und Masuren auseinander, die für sie Teil der regionalen Identität ist. So erstrahlen heute viele vor allem kleinere Gutshäuser sowie alte Mühlen in neuem Glanz und werden fast alle touristisch genutzt. Urlaub im Gutshaus ist im heutigen Polen zum Renner geworden. Auch Barabra Trzeciak bietet heute Gästezimmer des gehobenen Niveaus und das Live-Erleben des Gutslebens an. Inzwischen ist  „Das Gutshaus am See“ im Wettbewerb „Grüner Sommer 2009 (Zielone Lato 2009) in der Kategorie bestes Objekt der Landtouristk mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden.

Buchungsmöglichkeiten und weitere Informationen zum Gutshaus in Jelmun/Allmoyen erfahren Sie hier:

Jelmun-Dwor

Dr. Barbara Trzeciak

PL 11-731 Sorkwity

Email: barbaratrzeciak@poczta.onet.pl

Internet: www.jelmundwor.pl

Tel.: +48 781 410 400